Polizei : Newsletter Nr. 125, Dezember 2009

 1)   Gehorsam gegenüber Autoritäten innerhalb der Polizeiausbildung
 2)   Empfehlungen des „Expertenkreis Amok“
 3)   Handbuch für die Arbeit der „United Nations police“
 4)   Sicherheit auf dem Campus
 5)   Forschungsbeiträge über Restorative Justice in Großbritannien
 6)   Literaturübersicht zu sexuell motiverten Tötungen
 7)   Struktur und Aufgaben interner und externer Aufsichtsstellen im Polizeibereich
 8)   Einfluss der „Broken Windows“-Strategie auf die Kriminalitätsaufklärung
 9)   Zum Einsatz von Elektroschockpistolen (Taser) bei der Polizei
10)  Todesfälle im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen
11)  Programm gegen Kindeswohlgefährdung
12)  Datenschutz und empirische Sozialforschung
13)  Auswirkungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
14)  Buchbesprechungen
 
1) Gehorsam gegenüber Autoritäten innerhalb der Polizeiausbildung
In einer ethnographischen Studie wurden die Sozialisationsprozesse innerhalb der us-amerikanischen Polizeiausbildung untersucht. Das Verhalten der Vorgesetzten ähnelt demnach dem theoretischen Konzept des reintegrativen Beschämens (reintegrative shaming). Die Charaktereigenschaften und Werte der Auszubildenden werden dabei zunächst herabgewürdigt, um die Rekruten in einem nächsten Schritt in eine auf Autorität und Gehorsam fußende Polizeikultur aufzunehmen. Nach Ansicht des Autors entsteht auf diese Weise eine Subkultur, durch die gewalttätiges Verhalten gegenüber Bürgern erklärt werden kann. Quelle: Conti, Norman (2009), A Visigoth system: Shame, honor, and police socialisation, in: Journal of Contemporary Ethnography 38 (3), 409-432. http://jce.sagepub.com/cgi/content/abstract/38/3/409
 
 
2) Empfehlungen des „Expertenkreis Amok“
Nach dem Amoklauf von Winnenden hat sich der „Expertenkreis Amok“ gebildet, in dem neben Opferangehörigen auch Personen aus Wissenschaft, Politik und Praxis vertreten sind. Der Arbeitsbericht des Expertenkreises enthält allgemeine Ausführungen zum Ablauf von Amoktaten an Schulen, aus denen konkrete Handlungsempfehlungen zur Prävention künftiger Taten abgeleitet werden. Die vom Expertenkreis aufgezeigten Handlungsfelder beinhalten positiv zu bewertende Vorschläge auf dem Gebiet der primären Prävention, wie z.B. die Stärkung der Jugendsozialarbeit innerhalb und außerhalb von Schulen. Eher negativ fallen repressive Forderungen nach höheren Strafrahmen oder die technisch und rechtlich fragliche Ausweitung von Internetsperren auf. Der Bericht (85 S.) ist online abrufbar: http://www.baden-wuerttemberg.de/fm7/2028/BERICHT_Expertenkreis_Amok_25-09-09.pdf
 
 
3) Handbuch für die Arbeit der „United Nations police“
Das Handbuch zur Arbeit der UN-Polizeikräfte im Rahmen von Friedensmissionen ist neu aufgelegt und um Themen ergänzt worden. Darin werden menschenrechtliche und rechtstaatliche Grundsätze dargestellt und Verhaltensregeln aufgezeigt, die beispielsweise im Rahmen von Ermittlungen, Festnahmen oder bei freiheitsentziehenden Maßnahmen zu beachten sind. Das Handbuch soll eine Doppelfunktion erfüllen: Es soll den UN-Kräften selbst als Leitfaden dienen und darüber hinaus den nationalen Polizeikräften bei der Polizeiorganisation und -arbeit unterstützten. Das Dokument ist online verfügbar: http://www.unodc.org/unodc/en/frontpage/2009/September/new-criminal-justice-standards-for-un-police.html
 
 
4) Sicherheit auf dem Campus
Seit 2005 finden jeden Herbst an US-amerikanischen Hochschulen Aktionen zur Stärkung der Kriminalprävention auf dem Campus statt. Dieses Jahr wird der Fokus auf Gewaltkriminalität und Alkohol- und Drogenmissbrauch gerichtet. Unter http://www.ncjrs.gov/campussafetyawareness/ stehen verschiedene Aufsätze und Handlungsempfehlungen zu den einzelnen Themenkomplexen zur Verfügung.
 
 
5) Forschungsbeiträge über Restorative Justice in Großbritannien
Nach einer britischen Studie zum Erfolg des Restorative Justice unter erwachsenen Straftätern wurde in der Gruppe der Personen, die ein entsprechendes Programm durchliefen, eine um 12,7 % niedrigere Rückfallrate als in der Vergleichsgruppe festgestellt (http://www.admin.cam.ac.uk/news/dp/2008070103). Zum selben Thema steht ein Aufsatz zur Verfügung, der die Situation in Großbritannien mittels Experteninterviews und durch Ergebnisse von Evaluationsmaßnahmen überprüft: http://iirp.org/pdf/UKPolice.pdf. Ein Pilotprojekt speziell zum Täter-Opfer-Ausgleich bei jugendlichen Tätern (10-17 Jahre) in England und Wales zeigt, dass das Projekt den Bedürfnissen der Opfer und ihrer Familien entspricht und vom Täter als gerecht akzeptiert wird. Fallbeispiele und weitere praxisorientierte Informationen zum Programm sind online verfügbar: http://www.yjb.gov.uk/en-gb/practitioners/CourtsAndOrders/Disposals/YouthRestorativeDisposal/
 
 
6) Literaturübersicht zu sexuell motiverten Tötungen
Im Rahmen einer Literatursynthese werden insgesamt 32 empirische Studien über sexuell motivierte Tötungen zusammengestellt. Dargestellt werden das unterschiedliche theoretische Verständnis und die in den Untersuchungen herausgestellten Typologien. Die Synthese schließt mit einer Analyse der Studien und stellt die Folgen für Wissenschaft und Praxis heraus. Quelle: Chan, H./ Heide, K.M. (2009), Sexual homicide: A synthsis of the literature, in: Trauma, Violence & Abuse 10 (1), 31-54 http://tva.sagepub.com/cgi/content/abstract/10/1/31
 
 
7) Struktur und Aufgaben interner und externer Aufsichtsstellen im Polizeibereich
Innerhalb von zehn Kapiteln stellt das vorliegende Buch dar, wie interne und externe Aufsichtsbehörden im Polizeibereich ausgestaltet werden können. Ziel ist es, dem Leser den Aufbau einer entsprechenden Einrichtung vorzustellen, die sowohl Polizei- als auch Bürgerinteressen abdecken. Noble, J. J./ Alpert, G.P. (2009), Managing accountability systems for police conduct: Internal affairs and external oversight, 327 S., ISBN: 9781577665670, ca. 30 Euro. http://www.waveland.com/Titles/Noble-Alpert.htm
 
 
8) Einfluss der „Broken Windows“-Strategie auf die Kriminalitätsaufklärung
Den Einfluss einer schwerpunktmäßigen Verfolgung kleinerer Vergehen auf die Aufklärungsrate verschiedener Delikte haben Forscher im Rahmen eines Längsschnittsvergleichs von Daten verschiedener US-Polizeibehörden untersucht. Das Vorgehen gegen „broken windows“ führt demnach zu uneinheitlichen Resultaten. Ein positiver Einfluss konnte auf die Aufklärung von Einbrüchen und Autodiebstählen festgestellt werden, während sich ein negativer Effekt bei der Aufklärung von Diebstählen gezeigt hat. Im Ergebnis ist es nach Auffassung der Autoren daher schwierig, generelle Empfehlungen zum Einsatz einer Strategie, die sich insbesondere gegen „broken windows“ richtet, zu geben. Quelle: Jang, H./ Hoover, L.T./ Lawton, B.A. (2008), Effect of broken windows enforcement on clearance rates, in: Journal of Criminal Justice, 36 (6), 529-538. 125.php
 
 
9) Zum Einsatz von Elektroschockpistolen (Taser) bei der Polizei
Ein Dokument des Parlaments von New South Wales stellt die Debatte um den Einsatz von Elektroschockpistolen („Taser“) in dem australischen Bundesstaat dar. Diese dreht sich im Kern um die Frage, wie das Interesse der Polizei an wirksamen Mitteln der körperlichen Gewalt auf der einen und das Interesse der Bevölkerung an einem verhältnismäßigen und risikolosem Einsatz dieser Mittel auf der anderen Seite in Einklang gebracht werden kann. Einerseits berichten Studien davon, dass durch den Einsatz von Tasern gewalttätige Kontakte zwischen Polizei und Bürgern um bis zu 93 % zurückgegangen sind. Andererseits gibt es immer wieder Bericht über einen tödlichen Ausgang des Taser-Einsatzes. Der Bericht spricht sich in der Tendenz für den Einsatz von Tasern aus, gibt aber zu bedenken, dass Taser keine nicht-tödlichen, sondern nur weniger tödliche Waffen sind. Der Ombudsmann für New South Wales wird dabei mit den Worten zitiert, dass die Gefahr darin besteht, Taser in alltäglichen Situationen einzusetzen, um mit eher unbedeutenden Konflikten fertig zu werden. http://www.parliament.nsw.gov.au/Prod/parlment/publications.nsf/0/05D42FA06DC51BE0CA257618001A2062/$File/EBrief+Tasers.pdf
 
 
10) Todesfälle im Zusammenhang mit Taser-Einsätzen
Amnesty International hat sich mit den Begleitumständen von insgesamt 334 tödlichen Taser-Einsätzen in den USA befasst. Die meisten Opfer waren den Ergebnissen zufolge psychisch oder körperlich beeinträchtigt, z.B. durch Drogenkonsum oder Herzkrankheiten. 90 % waren unbewaffnet, von vielen ging keine ernst zu nehmende Gefahr aus. Viele Opfer wurden mehreren oder längeren Elektroschocks ausgesetzt, bei manchen wurden zusätzliche Formen der Gewalt angewandt, durch die Atmung oder Kreislauf beeinträchtigt wurden. In manchen Fällen gingen die Taser-Einsätze so weit, dass sie als Folter oder andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu werten seien. Der Tod trat in den untersuchten Fällen sowohl direkt am Ort des Geschehens als auch im Krankenhaus ein. Quelle: Amnesty International (Hrsg.), „Less than lethal“? The use of stun weapons in U.S. law enforcement, 121 Seiten, London 2008. http://www.amnesty.org/en/library/asset/AMR51/010/2008/en/65fd4233-cb63-11dd-9ec2-e57da9519f8c/amr510102008en.pdf
 
 
11) Programm gegen Kindeswohlgefährdung
Australien hat ein nationales Programm gegen Kindeswohlgefährdung entwickelt, das auf der Zusammenarbeit von staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen basiert. Das Programm benennt Risikofaktoren wie zum Beispiel psychische Probleme oder Drogenmissbrauch der Eltern und zeigt auf, wie einzelne Institutionen darauf reagieren können. http://www.coag.gov.au/coag_meeting_outcomes/2009-04-30/docs/child_protection_framework.pdf
 
 
12) Datenschutz und empirische Sozialforschung
Die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Belange des Datenschutzes hat zu Gesetzesinitiativen geführt, die die Verwendung personenbezogenener Daten nicht nur zu Werbezwecken, sondern auch zur Markt- und Meinungsforschung einschränken. Dies kann dazu führen, dass für empirische Forschungsvorhaben im wissenschaftlichen Bereich der Datenzugang erschwert wird. Ein „Recherche Spezial“, des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften beschäftigt sich mit der Thematik und stellt Literatur- und Forschungsnachweise mit einer kurzen Inhaltszusammenfassung dar. http://www.sowiport.de/fileadmin/user_upload/PDF_Recherche_Spezial/Der_glaeserne_Buerger.pdf
 
 
13) Auswirkungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Das durch die EU geförderte Menschenrechtsprojekt JURISTRAS beschäftigt sich mit dem Einfluss der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf Politik und Gesetzgebung. Ein aktueller Bericht wertet die Urteile des EGMR gegen Deutschland aus und gibt Antworten auf die Frage, welche Auswirkungen die Entscheidungen haben. Der Bericht steht als Volltext online zur Verfügung: http://www.juristras.eliamep.gr/wp-content/uploads/2008/09/germany.pdf
 
 
14) Buchbesprechungen
Folgende Buchbesprechungen stehen unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php bereit: Hunold, Daniela: Migranten in der Polizei. Zwischen politischer Programmatik und Organisationswirklichkeit, Frankfurt 2008, rezensiert von Thomas Mosmann; Lempp, Reinhart: Nebenrealitäten. Jugendgewalt als Zukunftsangst, Frankfurt 2009, rezensiert von Thomas Feltes; von Schirach, Ferdinand: Verbrechen, München 2009, rezensiert von Thomas Feltes; van Ooyen, Robert: Politische Bedingungen internationaler Strafgerichtshöfe, Frankfurt 2007, rezensiert von Uwe Ewald.