Polizei : Newsletter Nr. 181, Januar 2015

 1)   Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte
 2)   Fragen nach dem Alibi nutzlos?
 3)   Geldstrafen können kontraproduktiv sein
 4)   Erboste Gesichtsausdrücke helfen
 5)   Kinder, die in prekären Verhältnissen aufwachsen leiden häufiger an psychischen Störungen
 6)   Elektronische Überwachung von Straftätern / Gefangenen
 7)   Statistische Daten Mikrozensus, Strafvollzug und anderes
 8)   Deutschland auf Platz 12 im Anti-Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International
 9)   Studie zur geographischen Verbreitung von Nachrichten
10)  FBI nutzte gefälschten Zeitungsartikel, um Verdächtigem Spyware unterzuschieben
11)  Kriminaltelepathie
12)  US-Justizministerium legt Bericht zur Kriminalität gegenüber alten Menschen vor
13)  Entscheidung des BVerwG zur Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg
14)  Städter sehen häufiger weg als Dorfbewohner
15)  Weltweit wächst die Einsicht in das Scheitern des „War on Drugs“.
16)  Ziviler Ungehorsam
17)  Buchbesprechungen
18)  Übersetzungen der englischsprachigen News des PNL 180 von Dezember 2014
 
1) Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte
Die Mitgliedsorganisationen der EDA (Europäische Demokratische Anwältinnen und Anwälte) haben Fakten zum Stand der Kennzeichnungspflicht für Polizeikräfte in Europa zusammengetragen. Das Dokument steht unter http://www.police-identification-europe.org/ in sieben Sprachen zur Verfügung.
 
 
2) Fragen nach dem Alibi nutzlos?
Eine Studie aus den USA bezweifelt den Aussagewert von Antworten auf die Frage nach dem Alibi zu einer bestimmten (Tat-)Zeit. Das Gedächtnis sei nicht dafür gemacht, zu kategorisieren, was wir wann tun oder getan haben. Quelle: D. Strange, J. Dysart, E. Loftus, Why errors in alibis are not necessary evidence of guilt. In: Zeitschrift für Psychologie 222/2, 2014, S. 82 ff. http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCMQFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.researchgate.net%2Fprofile%2FElizabeth_Loftus%2Fpublication%2F263912855_Why_errors_in_alibis_are_not_necessarily_evidence_of_guilt%2Flinks%2F53fb445c0cf2e3cbf5661cb5&ei=84p4VO69O4fuPOSTgPAF&usg=AFQjCNGsKYnc_z7gaaYR-QFClPvGl2nmcg&bvm=bv.80642063,d.ZWU
 
 
3) Geldstrafen können kontraproduktiv sein
Geldstrafen und Geldbußen sollen ein zukünftiges, unerwünschtes Verhalten verhindern. Eine Studie zeigt jetzt, dass sie mitunter als Ablass verstanden werden, mit dem man sich freikauft. Sie bestärken damit abweichendes Verhalten, statt es zu verhindern. Quelle: T. Kurz, W. Thomas, M. Fonseca: A fine is a more effective financial deterrent when framed retributively and extracted publicly. Journal of Experimental Social Psychology 54, 2014, S. 170 ff.
 
 
4) Erboste Gesichtsausdrücke helfen
Nach einem Experiment mit 1.450 Teilnehmern kamen Psychologen zu dem Ergebnis, dass wütende Mimik hilft, ein Anliegen durchzusetzen. Der Gesichtsausdruck vermittele den Eindruck, dass man Drohungen auch umzusetzen bereit ist. Quelle: L.I. Reed, P. DeScioli, S. Pinker: The commitment function of angry facial expressions. In: Psychological Science 2014, S. 1511 ff.; s.a. http://pdescioli.com/papers/reed.descioli.pinker.anger.ps14.pdf
 
 
5) Kinder, die in prekären Verhältnissen aufwachsen leiden häufiger an psychischen Störungen
Verhaltensauffälligkeiten, Aggressivität (und damit auch Kriminalität), Angst, Schlafprobleme, Essstörungen u.a.m. sind (auch) Folge von sozialer Benachteiligung, wie durch eine Studie erneut bestätigt wurde. Quelle: F. Reiss: Socioeconomic inequalities and mental health problems in children and adolescents. In: Social Science and Medicine, 90, 2013, S. 24 ff.
 
 
6) Elektronische Überwachung von Straftätern / Gefangenen
Ein Schwerpunktheft der Zeitschrift "Crime, Law and Social Change" (Vol. 62 , Issue 4 , 2014) beschäftigt sich mit dem Thema Elektronische Überwachung von Straftätern. Nur die abstracts und einige wenige Beiträge sind frei verfügbar, darunter: Edna Erez & Peter R. Ibarra: Electronic monitoring: international and comparative perspectives Quelle: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&ved=0CCcQFjAA&url=http%3A%2F%2Flink.springer.com%2Fcontent%2Fpdf%2F10.1007%252Fs10611-014-9543-5.pdf&ei=UryBVIDWI8LsO9_BgLgF&usg=AFQjCNGVTzzKHRWdyUc40io89Sc48NSkuA&bvm=bv.80642063,d.ZWU&cad=rja
 
 
7) Statistische Daten Mikrozensus, Strafvollzug und anderes
Der Mikrozensus 2010 ist eine 3,5% Wohnungsstichprobe, die speziell für Lehr- und Übungszwecke erstellt wurde. Der Mikrozensus stellt mit seiner thematischen Breite und zeitlichen Kontinuität eine wichtige Datenquelle für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften dar. Quelle: http://www.forschungsdatenzentrum.de/bestand/mikrozensus/cf/2010/index.asp Weiterhin verfügbar sind die Strafverfolgungsstatistiken 2012 und 2013 sowie die Strafvollzugsstatistik 2013 und 2014 unter http://www.forschungsdatenzentrum.de/datenangebot.asp
 
 
8) Deutschland auf Platz 12 im Anti-Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International
In dem jährlich erstellten Anti-Korruptionswahrnehmungsindex steht Deutschland 2014 auf Platz 12 des weltweiten Ländervergleichs. Insbesondere schlechte Werte bei der Geldwäschebekämpfung haben dafür gesorgt, dass Deutschland es nicht unter die Top zehn Länder geschafft hat. Der vollständige Bericht: http://www.transparency.de/Corruption-Perceptions-Index-2.2569.0.html
 
 
9) Studie zur geographischen Verbreitung von Nachrichten
Das Qatar Computing Institute hat untersucht, wie sich Nachrichten geographisch verbreiten und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Die Ergebnisse sind als visualisiert und verfügbar unter http://arxiv.org/abs/1410.3710 http://arxiv.org/pdf/1410.3710v1.pdf s.. http://www.heise.de/tr/artikel/Wie-Nachrichten-um-die-Welt-gehen-oder-nicht-2441624.html
 
 
10) FBI nutzte gefälschten Zeitungsartikel, um Verdächtigem Spyware unterzuschieben
Auf der Suche nach dem Urheber von Bombendrohungen gegenüber einer Schule hat die US-Bundespolizei einem Verdächtigen Spyware mit Hilfe eines gefälschten Zeitungsartikels untergeschoben. http://www.heise.de/newsticker/meldung/FBI-nutzte-gefaelschten-Zeitungsartikel-um-Verdaechtigem-Spyware-unterzuschieben-2437890.html
 
 
11) Kriminaltelepathie
Ein „Tatort“ Mitte November, bei dem eine „Seherin“ Morde voraussah, führte zur auch medialen Diskussion, ob und in wie weit sich die Polizei auch Methoden der Telepathie bedient. In diesem Zusammenhang sind auf der Website mehrerer renommierter Universitäten für eine „DFG-Paketgruppe Gesellschaftliche Innovation durch „nichthegemoniale“ Wissensproduktion. ‚Okkulte’ Phänomene zwischen Mediengeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft 1770-1970“ zusammengestellten Materialien interessant: http://www.okkultemoderne.phil.uni-siegen.de/projekte_7.html?lang=de s.a. die Website der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg: http://www.parapsychologische-beratungsstelle.de/
 
 
12) US-Justizministerium legt Bericht zur Kriminalität gegenüber alten Menschen vor
Der Bericht (Mason, Britney J./Morgan, Rachel E.) beschreibt insbesondere die Häufigkeit und Phänomenologie der bundesweiten Kriminalität gegenüber alten Menschen (65 Jahre und älter) in dem Zeitraum von 2003 bis 2013. Erfasst werden sowohl Straftaten gegen Persönlichkeitswerte als auch Vermögensdelikte. Der Report kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass die Gefahr Opfer einer Straftat zu werden, für ältere Menschen zum Teil wesentlich geringer ist als für junge Menschen. In: http://www.bjs.gov/index.cfm?ty=pbdetail&iid=5136.
 
 
13) Entscheidung des BVerwG zur Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg
In einer Entscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Mängeln bei der privaten Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg beschäftigt. So darf es u.a. keine Weisungsbefugnisse des privaten Trägers gegenüber beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern geben. http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2014&nr=71 Die Stellungnahme aus dem Justizministerium Baden-Württemberg steht hier zur Verfügung: http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de/pb/,Lde/2171484/?LISTPAGE=1149211
 
 
14) Städter sehen häufiger weg als Dorfbewohner
Studierende untersuchten die „Auswirkungen der Bevölkerungsdichte auf prosoziales Verhalten gegenüber Kindern“. In drei unterschiedlich großen Orten haben sie untersucht, ob prosoziales Verhalten mit der Bevölkerungsdichte korreliert. Ergebnis: Je größer die Stadt, desto weniger sahen sich die Fußgänger veranlasst, dem Kind beizustehen. Quelle: http://idw-online.de/de/news?print=1&id=612483
 
 
15) Weltweit wächst die Einsicht in das Scheitern des „War on Drugs“.
In einem Überblicksbeitrag verdeutlicht Frank Nobis dass der weltweite Krieg gegen die Drogen gescheitert ist, mit verheerenden Folgen für die Menschen und Gesellschaften rund um den Globus. Es besteht in der nationalen und weltweiten Drogenpolitik dringender Bedarf nach grundlegenden Reformen – und nicht nach mehr Repression. Quelle: Freispruch Nr. 2, 2013, http://blog.strafverteidigervereinigungen.org/?p=228
 
 
16) Ziviler Ungehorsam
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat unter dem Thema „Ungehorsam! Disobedience! Theorie & Praxis kollektiver Regelverstöße“ im vergangenen Jahr eine Konferenz durchgeführt, zu der ein Sammelband erschienen ist, der online verfügbar ist. Quelle: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/ungehorsam_disobedience.pdf
 
 
17) Buchbesprechungen
Das Verbrechen und wir
Die Essays des Gießener Kriminologen Arthur Kreuzer zur Einführung in die Kriminologie und Kriminalpolitik hat Holger Plank besprochen und stellt fest, dass es dem Autor gelingt, allgemeingültige Vorstellungen von der Entstehung des Verbrechen und seiner Bekämpfung akzentuiert zu hinterfragen. Quelle: http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Plank_Rezension_Arthur_Kreuzer_Das_Verbrechen_und_wir.pdf
 
Das Familienhaus Engelsborg - Verantwortung für die Kinder Inhaftierter
Die Rezensentin Anna Schnepper schreibt dazu: „Der Erfolg des Familienhauses „Pension Engelsborg“ zeigt, dass den Nebenwirkungen der Inhaftierung für die gesamte Familie der Gefangenen sehr wohl entgegengewirkt werden kann - wenn nur engagierte Menschen den Mut haben, dieses oder ähnliche Konzepte umzusetzen“. Quelle: http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Rezension_Engelsborg.pdf
 
Störungen.
Das kleine Büchlein, hrsg. von Ariane Brenssell und Klaus Weber und in der Reihe „texte kritische psychologie“ erschienen, regt dazu an, den (angeblichen) Anstieg psychischer Erkrankungen kritisch zu hinterfragen. Der Rezensent (Thomas Feltes) empfiehlt die Lektüre all denen, die den Anstieg psychischer Krankheiten nicht als gottgeben sehen oder sehen wollen. Quelle: http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Stoerungen_Feltes.pdf
 
Hillarys Hand. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart. Hrsg. von Michael Kauppert und Irene Leser. transcript-Verlag Hamburg 2014
Ein Foto aus dem »Situation Room« im Weißen Haus, in dem sich am 1. Mai 2011 das nationale Sicherheitsteam der US-Regierung versammelte, ging um die Welt. Das Bild wurde damals über „Flickr“ verteilt. Der von Thomas Feltes besprochene Band thematisiert und analysiert die Verwendung solcher und ähnlicher Bilder in der heutigen multimedialen Welt. Quelle: http://www.polizei-newsletter.de/books/2014_Hillarys_Hand_Feltes.pdf
 
 
18) Übersetzungen der englischsprachigen News des PNL 180 von Dezember 2014
1. Risikobewertungsinstrumente sind nicht verlässlich
Der Einsatz von Risikobewertungsinstrumenten kann die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Verbrechens bei Sexualstraftätern überschätzen. "Versicherungsstatistische" Risikobewertungen sind so angelegt, dass staatliche Strafrechtssysteme das Risiko genauso bewerten können wie Kfz-Versicherungsfirmen. Eine Liste mit Faktoren, die mit Rückfälligkeit korrelieren, wird genutzt, um die Straftäter in Kategorien einzusortieren. Aber diese Instrumente ziehen oft nur historische, bzw. "statische" Faktoren aus dem Vorleben des Straftäters in Betracht. Quelle: Steven Yoder: The Promise (and Perils) of Predicting Sex Crimes. In: The Crime report, Sept. 11, 2014 http://www.thecrimereport.org/news/inside-criminal-justice/2014-09-the-promise-and-perils-of-predicting-future-sex-crim
 
5. Zerbrochene Fenster 2.0
Die öffentliche Debatte in New York zu "zerbrochenen Fenstern" ist fast ohrenbetäubend geworden. Nach Meinung der New York Times and der Nation ist das Bekenntnis des New York Police Department (NYPD) zu Rechtsdurchsetzung auf niedriger Ebene ein Regelbruch, der "ungleiche Behandlung verschärft, statt die Sicherheit zu verbessern" (Nation). Kommentatoren des City Journals und der New York Daily News haben zurückgeschlagen. Das Journal nannte die zerbrochenen Fenster "eine moralische Pflicht" und laut The News ist es eine "bewährte Vorgehensweise, die hilft, Leben zu retten". Siehe auch die Diskussion auf http://www.thecrimereport.org/viewpoints/2014-08-broken-windows-20-a-smarter-version