Polizei : Newsletter Nr. 98, Juni 2007

 1)   Masterstudiengang Kriminologie und Polizeiwissenschaft in neuer Form
 2)   Kriminelle und ein “Jäten-und-Säen“-Projekt
 3)   Indikatoren für Kriminalität an Schulen aktualisiert
 4)   Jugend und Kriminalität: Ergebnisse aus dem Bericht 2005
 5)   Zusammenhang zwischen Schulklima und Gewalt an Schulen
 6)   Gefährliche Gewalttäter? Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie Bewährungshilfe
 7)   Mediation im Jugend- und Erwachsenenrecht – eine Evaluation
 8)   Rückgang der schulbezogenen Kriminalität in den USA
 9)   Nationale Opferbefragung in Frankreich
10)  KOPS: Institutional Repository der Universität Konstanz
11)  Modus operandi im Straßenraub
12)  Neue globale Kriminologie-Website
13)  Polizeireform in Südafrika
14)  Festschrift für Helmut Kury
15)  Stand und Perspektiven der Polizeiausbildung
16)  „Paradigmenwechsel im Strafverfahren! Neurobiologie auf dem Vormarsch“
 
1) Masterstudiengang Kriminologie und Polizeiwissenschaft in neuer Form
Der Bochumer Masterstudiengang wird ab sofort in neuer Form angeboten. Als sog. „Blended-Learning“ verbindet er Elemente des Präsenz- und des Fernstudiums. Die Dauer ist nunmehr einheitlich vier Semester, wobei das letzte Semester ausschließlich der Erstellung der Masterarbeit dient. Erstmaliger Beginn wird der 01.01.2008 sein, Bewerbungsschluss für die insgesamt 60 zu vergebenden Studienplätze ist der 15. Juli 2007. Weitere Informationen sind unter http://www.rub.de/kriminologie zu finden.
 
 
2) Kriminelle und ein “Jäten-und-Säen“-Projekt
Diese quasi experimentell angelegte Studie testete die Wirkung eines Jäten-und-Säen-Programms in einer Wohngegend in Santa Ana / Kalifornien. Die Autoren waren besonders daran interessiert, wie sich die Einstellung der Bewohner zu ihrer Gegend und ihre Kriminalitätsfurcht dadurch verändern würde. Vor und nach einer größeren Jäten-und-Säen-Aktion mit Jugendbanden in einer ausgewählten Gemeinde wurden Interviews geführt. Die Ergebnisse der Analysen zeigten überhaupt keine positiven Auswirkungen des Programms auf die Einstellung der Bewohner. Die unbeabsichtigte Folge könnte gewesen sein, dass die Furcht der Bürger vor Verbrechen und Bandenkriminalität verstärkt wurde. Quelle: Bridenball, B., & Jesilow, P. (2005). Weeding criminals or planting fear: An evaluation of a Weed and Seed project, in: CRIMINAL JUSTICE REVIEW, 30(1), 64-89.
 
 
3) Indikatoren für Kriminalität an Schulen aktualisiert
"Indicators of School Crime and Safety, 2006" (NCJ 214262) (216 S.) gibt Daten über Kriminalität und Sicherheit an Schulen aus der Sicht der Schüler, Lehrer, Schulleiter und der Bevölkerung bekannt. BJS und das National Center for Education Statistics stellen in diesem gemeinsamen Jahresbericht Kriminalität in der Schule und auf dem Schulweg vor. http://www.ojp.usdoj.gov/bjs/pub/pdf/iscs06.pdf
 
 
4) Jugend und Kriminalität: Ergebnisse aus dem Bericht 2005
Dieser Bericht präsentiert die ersten Ergebnisse des Offending, Crime and Justice Survey (OCJS) 2005. Er konzentriert sich auf Stand und Trends in der Jugendkriminalität, sozial-schädlichen Verhalten und Viktimisierung bei Jugendlichen zwischen 10 und 25 Jahren, die in Durchschnittshaushalten in England und Wales leben. Die Untersuchung berücksichtigt Jugendliche, die in Institutionen, einschl. Gefängnissen, leben oder Obdachlose nicht und lässt somit stark kriminelle Gruppen aus. Home Office Statistical Bulletin 17/06 - http://www.homeoffice.gov.uk/rds/pdfs06/hosb1706.pdf
 
 
5) Zusammenhang zwischen Schulklima und Gewalt an Schulen
Hypothesen über den Zusammenhang zwischen den Organisationsmerkmalen von Schulen und Kriminalität und Unruhe an Schulen wurden in einer national repräsentativen Untersuchung von 254 höheren Schulen getestet. Das Schulklima erklärte weitgehend die Unterschiede in den Ausmaßen der Unruhe an den Schulen. Dort, wo die Schüler größere Fairness und mehr Klarheit durch Regeln erlebten, gab es weniger kriminelles Verhalten und weniger Schüler-Viktimisierung, allerdings ohne Einfluss auf Lehrer-Viktimisierung. Schulen mit positiverem psycho-sozialen Klima hatten weniger Lehrer-Viktimisierung, aber ein Einfluss auf Schüler-Viktimisierung oder kriminelles Verhalten zeigte sich nicht. Quelle: Gottfredson, G. D., Gotffredson, D. C., Payne, A. A., et al. (2005). School climate predictors of school disorder: Results from a national study of delinquency prevention in schools, in: JOURNAL OF RESEARCH IN CRIME AND DELINQUENCY, 42(4), 412-444.
 
 
6) Gefährliche Gewalttäter? Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie Bewährungshilfe
Der Beitrag befasst sich aus empirischer Sicht mit der auch im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Gewaltkriminalität. Untersucht wurden die Rückfälligkeit und die kriminellen Karrieren von etwa 75.000 Gewalttätern, die im Jahre 1994 ausweislich des Bundeszentralregisters in Deutschland zu einer ambulanten Sanktion verurteilt oder aus einer stationären entlassen wurden. Bei der Auswertung wurden verschiedene Gewaltdeliktsgruppen (Tötungsdelikte, sexuelle Gewaltdelikte, Raubdelikte, Körperverletzungsdelikte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) gebildet und diese untereinander und mit den Nichtgewalttätern anhand der Bundeszentralregisterdaten verglichen. Dabei konnte die gesamte im Register abgebildete Vorgeschichte der Täter berücksichtigt und die weitere Entwicklung über einen individuellen Rückfallzeitraum von vier Jahren bis 1998 verfolgt werden. Wie die Untersuchung ergab, ist es nötig genauer hinzusehen. Keineswegs sind alle oder auch nur die Mehrzahl der Gewalttäter gefährliche Risikotäter. Quelle: S. HARRENDORF: Gefährliche Gewalttäter? Ergebnisse einer bundesweiten Rückfallstudie Bewährungshilfe, in: SOZIALES, STRAFRECHT, KRIMINALPOLITIK Jg. 53, 2006, Heft 4, S. 308-338
 
 
7) Mediation im Jugend- und Erwachsenenrecht – eine Evaluation
Christian Schwarzenegger und Mitarbeiter haben für den Kanton Zürich im Rahmen eines Pilotprojektes 2003 bis 2005 die ersten flächendeckenden Erfahrungen mit der Mediation im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht gesammelt und begleitend evaluiert. Der gedruckte Forschungsbericht steht nur in einer geringen Anzahl zur Verfügung. Jedoch gibt es die Möglichkeit, die elektronische Version als PDF-Datei oder als Zip-Datei von der Website des Kriminologischen Instituts der Universität Zürich herunter zuladen. Achtung: Es handelt sich um eine sehr große Datei: rund12 bzw. 14 MB. Sie finden sie in der Abteilung Forschungsprojekte des Instituts, Publikationen: http://www.rwi.unizh.ch/kriminologie/forschung/ (Danke an H.-J. Kerner)
 
 
8) Rückgang der schulbezogenen Kriminalität in den USA
Nach einer Erstauswertung für das Office of Justice Programs des Departments of Justice der USA zeigt die Schülerkriminalität bzw. schulbezogene Kriminalität in den USA nach wie vor einen fallenden Trend, entgegen dem Anschein aus Berichten über dramatische Einzelfälle. Die Erhebungen wurden vom Bureau of Justice Statistics des Justizministeriums und dem National Center for Education Statistics des Erziehungsministeriums betreut. Während für die ausgewählten Delikte Vergewaltigung, Sexuelle Nötigung, Raub/räuberische Erpressung und gefährliche/schwere Körperverletzung im Erhebungsjahr 2003 rund sechs Viktimisierungen je 1000 Schüler gemessen worden waren, ergab sich für diese Delikte zusammen genommen im Erhebungsjahr 2004 ein Wert von vier Viktimisierungen pro 1000 Schüler. Weitere Einzelheiten im Kurzbericht des OJP finden, von wo aus Hyperlinks zu der Studie geschaltet sind: http://ojp.usdoj.gov/newsroom/2006/BJS07004.htm (Danke an H.-J. Kerner)
 
 
9) Nationale Opferbefragung in Frankreich
Der Victim-Survey besteht in Ländern wie den USA oder Großbritannien schon seit längerer Zeit. In Frankreich wurde allerdings erst 2003 mit der Gründung des Observatoire nationale de la Délinquance (OND) der Grundstein für eine solche Befragung gelegt. In den beiden vergangenen Jahren hat das OND Übergangsstudien verfasst. Die erste groß angelegte Befragung beginnt nun im Januar 2007. Nichtsdestotrotz lassen sich auch für die 2006 und 2005 durchgeführten Studien interessante Ergebnisse festhalten. So ist die Zahl der tatsächlichen und versuchten Diebstähle zwischen 2004 und 2005 um 6% gesunken, was vor allem auf einen Abwärtstrend bei Autodiebstählen zurückgeführt wird. Die Anzahl der Opfer von Raubüberfällen ist hingegen gleichgeblieben bzw. nur leicht gesunken. Die Befragung hat gezeigt, dass in vielen Fällen von Gewalt die Polizei nicht hinzugezogen wird. Quelle: http://www.inhes.interieur.gouv.fr/fichiers/OND_ResultatsEnquete06_RappelJanv07.pdf
 
 
10) KOPS: Institutional Repository der Universität Konstanz
KOPS (Konstanzer Online Publikations-System) ist das Institutional Repository der Universität Konstanz und wird als Service von der Bibliothek angeboten. Es sind sowohl Primärveröffentlichungen (z. B. Schriftenreihen eines Fachbereiches) als auch Sekundärveröffentlichungen (z. B. Postprints als Parallelpublikationen zu Zeitschriftenaufsätzen) elektronisch publiziert. Die Publikationen jedes Wissenschaftlers der Universität Konstanz werden dadurch langfristig und weltweit leicht zugänglich präsent. http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/ (Danke an W. Heinz)
 
 
11) Modus operandi im Straßenraub
Straßenraubdelikte können auf unterschiedlichste Art verübt werden. Ein aktueller Artikel der britischen Zeitschrift Crime Prevention & Community Safety untersucht den Zusammenhang zwischen Vorgehensweise, Tatmotiv und Opfer. Vorhandene Studien werden vorgestellt und zudem neue Erkenntnisse aus Tätersicht gewonnen. Zwanzig face-to-face-Interviews wurden mit wegen Straßenraubes verurteilten Tätern durchgeführt. Basierend auf deren Risikoeinschätzung sowie berichteten Vor- und Nachteilen unterschiedlicher Vorgehensweisen konnten Erkenntnisse in den modus operandi gewonnen werden. Quelle: Deakin, J., Smithson, H., Spencer, J., Medina-Ariza, J. (2007): Taxing on the Streets: Understanding the Methods and Process of Street Robbery. In: Crime Prevention Community Safety. February 2007, Volume 9, Number 1, 52-67. Houndsmills, England). Der gesamte Artikel kann erworben werden unter: http://www.palgrave-journals.com/cpcs/journal/v9/n1full/8150033a.html
 
 
12) Neue globale Kriminologie-Website
Es gibt eine neue globale Kriminologie-Website. Kriminologie-Professoren und -studenten können hier ihre Arbeiten und Artikel veröffentlichen. Forschungsthemen der Kriminologie in aller Welt sind allen Ländern zugänglich durch Zugriff auf Interpol- und UN-Daten und Textinformationen. Die globale Kriminologie-Website unter dem Namen "Crime and Society: A Comparative Criminology Tour of the World” findet sich unter: http://www-rohan.sdsu.edu/faculty/rwinslow/index.html
 
 
13) Polizeireform in Südafrika
Die Reform der Polizei in Südafrika ist nicht nur in Bezug auf die interne Struktur und die Umsetzung aktueller Ideen des „new public management“ von Bedeutung; auch technologisch rüstet Südafrika im Vorfeld der Fußball-WM 2010 auf. In der Provinz Gauteng, zu der Johannesburg und der „Vorort“ Soweto (mit rund 2 Mio. Einwohnern) gehören, investiert im Juli 2007 allein 600 Mio. Rand (rund 55 Mio. Euro) in eine neue Funkleitzentrale. Daneben werden GPS –Systeme in allen Polizeifahrzeugen eingebaut, um den Standort und die Antwortzeiten bei Notrufen festzustellen. Ein neu eingerichtetes, elektronisches „police performance monitoring system“ ermöglicht es, die Arbeitweise und den Erfolg jeder einzelnen Polizeistation und jedes Polizeibeamten zu kontrollieren. Quelle: Saturday Sun Johannesburg, 24.2.2007, News, S. 3).
 
 
14) Festschrift für Helmut Kury
Festschriften haben in der Regel zumindest zwei Ziele: Den Jubilar zu ehren, indem Freunde und Fachvertreter Beiträge verfassen, die möglichst einen Bezug zum Werk des Geehrten haben sollten. Zum anderen bieten sie die Möglichkeit, aktuelle Forschungsergebnisse oder etwas intensivere Analysen einer Fachöffentlichkeit vorzustellen. Der wesentliche Nachteil bei Festschriften ist sehr häufig der Verkaufspreis des Buches, der (auch aufgrund der Aufmachung und des Umfanges des Werkes) nicht selten an die 200.- Euro-Grenze heranreicht oder sie sogar übertrifft. Damit sind solche Bücher für die meisten Einzelpersonen, aber auch für viele Bibliotheken nicht mehr erschwinglich. Dem Verlag für Polizeiwissenschaft ist es zu verdanken, dass hier ein kreativer Ausweg gefunden wurde: Es wurden einige wenige hochwertig aufgemachte Exemplare des Buches hergestellt, von denen eines dem Jubilar bei einer kleinen, aber feinen Feier im Dezember 2006 in Freiburg überreicht wurde. Das Gros der Bücher wird jedoch als (immer noch anständig aufgemachte) Paperback-Version zum erstaunlich günstigen Preis von 39.- Euro angeboten, und damit ist das Werk auch für kleinere Bibliotheken und Einzelpersonen erschwinglich. eine ausführliche Besprechung findet sich im Buchbesprechungsteil des PNL unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php Quelle: Joachim Obergfell-Fuchs, Martin Brandenstein (Hrsg.): Nationale und internationale Entwicklungen in der Kriminologie. Festschrift für Helmut Kury zum 65. Geburtstag. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt 2006, ISBN 3-935979-92-4; 687 Seiten, 39.- Euro.
 
 
15) Stand und Perspektiven der Polizeiausbildung
Ein Anfang 2007 erschienene Band in der Reihe „Empirische Polizeiforschung“ setzt sich mit dem Thema Polizeiausbildung auseinander – und dies macht Sinn! Polizeiforschung muss in Verbindung mit Polizeiausbildung erfolgen, und die Ergebnisse der Polizeiforschung müssen in die Ausbildung einfließen. Er enthält (wie die Vorgängerbände I bis VIII auch) Beiträge einer Tagung des Arbeitskreises Empirische Polizeiforschung in Verbindung mit dem Arbeitskreis Innere Sicherheit (AKIS), die im Mai 2006 an der Deutschen Hochschule der Polizei stattfand. Der Band gibt einen guten und aktuellen Überblick über den Stand und die Entwicklung der Polizeiausbildung in Deutschland. Eine ausführliche Besprechung des Buches finden sich im Online-Bereich des PNL unter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php. Quelle: Bernhard Frevel, Karlhans Liebl (Hrsg.): Empirische Polizeiforschung IX: Stand und Perspektiven der Polizeiausbildung. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-935979-98-6, 179 Seiten, 16,90 Euro.
 
 
16) „Paradigmenwechsel im Strafverfahren! Neurobiologie auf dem Vormarsch“
220 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Strafverteidiger, Richter und Staatsanwälte, Juristen, Psychiater und Psychologen und weitere Berufsgruppen) trafen sich am 3. und 4. März 2007 in der Abtei Maria Laach zum 36. Symposium. Nach einer Laudatio von Prof. Dr. Irmgard Rode auf den Institutsgründer Prof. Dr. Wolfgang de Boor, der seinen 90. Geburtstag feierte, begann das Programm, das wie immer zu kontroversen Debatten reizte. Dass nur wenige Tage später in der Eickelborner Fachtagung die gleichen Debatten stattfanden, zeugt davon, wie aktuell das Kölner Institut mit diesem Thema war. Eine ausführlichere Vorstellung des Symposiums findet sich im Online-Bereich des Polizei-Newsletter unter http://www.polizei-newsletter.de/online_documents_german.php