Nr. 82, Januar 2006
 
4) Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten
Die Studie benutzt die Sozial-Interaktionismus-Theorie und neuere Entwicklungen in der urbanen Soziologie, um die Respektlosigkeit von Verdächtigen gegenüber Polizeibeamten zu untersuchen. Davon ausgehend, dass Bewohner benachteiligter Wohngegenden die Polizei häufiger als schikanös ansehen und dass normative Muster eher den Einsatz von Zwang dulden, um Konflikte zu lösen und soziale Identitäten zu schützen, war zu erwarten, dass Respektlosigkeit durch Anwohner und Besucher von benachteiligten Wohngegenden häufiger wäre. Daten aus etwa 240 Stunden Feldbeobachtung wurden erhoben. Die Analyse bestätigte mehrere Lehrsätze der Sozial-Interaktions-Theorie. 1. Im Allgemeinen provozierten Respektlosigkeit und Schikanen seitens der Polizei keine Respektlosigkeit auf Seiten der Verdächtigen. Wenn Verdächtige sich für Provokation durch die Polizei rächten, wurden zwei Voraussetzungen beobachtet: entweder standen die Verdächtigen unter Alkohol oder Drogen, oder die Polizei wandte starke (körperliche) Gewalt an. Die Ergebnisse zeigen auch, dass es sinnvoll ist, die Wirkungen der nachbarschaftlichen Zusammenhänge auf das Verhalten des Verdächtigen beim Zusammentreffen mit der Polizei zu untersuchen. Bei den meisten Begegnungen, in denen den Beamten kein Respekt entgegengebracht wird, geht es um Verdächtige, die ganz allgemein nicht rational reagieren, weil sie emotional überreizt, berauscht oder geistig behindert sind. Unter solchen Umständen ist es meist sowohl für die Polizisten als  auch die Zuschauer offensichtlich, dass sich der Verdächtige nicht unter Kontrolle hat. In diesen Fällen können Zugeständnisse gemacht werden, ohne dass die Polizisten einen Autoritätsverlust ausgleichen müssten. Z.B. können die Beamten entschieden, aber mit weniger verbalem Zwang und körperlicher Gewalt einschreiten, was das Risiko, dass der Verdächtige sich respektlos verhält, mindert. Quelle: Reisig, Michael D.; McCluskey, John D.; Mastrofski, Stephen D.; and others. “Suspect disrespect toward the police.” In: Justice Quarterly, 21(2):241-268, 2004.