Polizei : Newsletter Nr. 274, Mai 2023

 1)   Die „Polizeifamilie“ und ihre innerfamiliären Probleme
 2)   Kein Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Gewaltkriminalität
 3)   Policing von Widerstand im Alltag
 4)   Fundstellen Polizei und Recht
 5)   Neue Polizeitechnologien
 6)   Eingriffsintensive Personenkontrollen durch die Polizei
 7)   Schreckt die chemische Markierung von Eigentum vor Einbrüchen ab?
 8)   Gewalt gegen Rettungskräfte
 9)   Gewalt gegen Rettungskräfte
10)  Messerkriminalität – polizeiliche Sichtweisen
11)  Jugendkriminalität und Polizei
12)  HELP-Programms des Europarats
13)  Typologie von Sexualstraftätern
14)  Weniger Straftaten durch härtere Strafen?
15)  Anonymes Hinweisgebersystem in Baden-Württemberg erfolgreich
16)  Polizeikontrolle in den USA: Was wirkt, was nicht
17)  Das Internet als Tatort
 
1) Die „Polizeifamilie“ und ihre innerfamiliären Probleme
Unter diesem Titel beschäftigt sich ein Beitrag im SIAK-Journal des österreichischen Innenministeriums mit internen Diskriminierungserfahrungen in der Polizei aufgrund des Migrationshintergrundes, des Geschlechts und der sexuellen Identität. Anhand von Fokusgruppendiskussionen mit deutschen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten werden polizeiinterne Diskriminierungsprozesse illustriert, die auf den Migrationshintergrund, das Geschlecht und die sexuelle Identität Bezug nehmen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=994
 
 
2) Kein Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Gewaltkriminalität
Instrumente zur Risikobewertung zeigten eine gute Vorhersagegenauigkeit des Rückfalls bei Männern, die wegen Sexualdelikten verurteilt wurden. Mit wenigen Ausnahmen waren psychische Störungen nur schwach mit der Rückfälligkeit verbunden, was darauf schließen lässt, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Gewalt- und Sexualstraftaten gibt. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/acps.13547
 
 
3) Policing von Widerstand im Alltag
Der AK Soziale Bewegungen und Polizei veranstaltet am 03.11.2023 seinen Jahresworkshop zum Thema "Policing von Widerstand im Alltag". Der Workshop findet am Zentrum für Technik und Gesellschaft der TU Berlin statt. Die Deadline für Beiträge ist der 30.06.2023. Call for Papers: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=995
 
 
4) Fundstellen Polizei und Recht
Hier können Fundstellensammlungen mit Urteilen und Literaturnachweisen über mehr als 20 Jahre zu Polizeirecht, Versammlungsrecht, strafprozessualem Eingriffsrecht der Polizei und polizeilichen Eingriffen im Straßenverkehr heruntergeladen werden. Die von Clemens Arzt begründete Sammlung wird inzwischen von weiteren Kollegen mitbetreut. https://www.hwr-berlin.de/prof/clemens-arzt/#c5097
 
 
5) Neue Polizeitechnologien
Auf einer Polizeikonferenz in Dubai im März 2023 wurden neue Technologien für die Sicherheitskräfte der Zukunft zum Verkauf angeboten. Bessere und schwerer zu entdeckende Überwachung, Gesichtserkennungssoftware, die automatisch Personen in Städten verfolgt, und Computer, mit denen Telefone geknackt werden können. Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Drohnen und der Gesichtserkennung, israelische Hacking-Software, amerikanische Ermittlungswerkzeuge und chinesische Computer-Vision-Algorithmen können gekauft und zu einem „Schnüffelcocktail“ (NYT) von verblüffender Wirksamkeit zusammengemischt werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=996
 
 
6) Eingriffsintensive Personenkontrollen durch die Polizei
In einer Analyse von 49 Gerichtsurteilen stellt der Beitrag diese Gerichtsentscheidungen der empirischen Polizeipraxis gegenüber und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei Personenkontrollen um Maßnahmen handelt, bei denen ein komplexer und in vielen Fällen auch eingriffsintensiver Kommunikationsprozess abläuft. Dem werden sowohl die sehr weiten und unbestimmten Eingriffsgrundlagen als auch weite Teile der Rechtsprechung nicht gerecht. https://www.kriminologie.de/index.php/krimoj/article/view/232/156
 
 
7) Schreckt die chemische Markierung von Eigentum vor Einbrüchen ab?
Ergebnisse eines neuen dänischen Experiments (randomisierter, kontrollierter Versuch) deutet darauf hin, dass diese Innovation nur begrenzten Erfolg hat. In einer Stichprobe von 12.000 Haushalten, in die zuvor eingebrochen worden war, fand man keinen wirklichen Unterschied in der Zahl der wiederholten Einbrüche zwischen Behandlungs-, Placebo- und Kontrollhäusern. https://link.springer.com/article/10.1007/s41887-022-00085-8  
 
 
8) Gewalt gegen Rettungskräfte
Bislang gibt es keine genauen Zahlen zur Gewalt gegen Rettungskräfte. In der vorliegenden Studie wurden erstmalig in einem Zeitraum von vier Monaten durch wöchentliche Abfragen verschiedene Arten von Angriffen dokumentiert. Insbesondere Mitarbeitende von bisher weniger erforschten Berufsgruppen wie Kommunale Ordnungsdienste und Verkehrsunternehmen weisen hohe Prävalenzen auf. https://www.kriminologie.de/index.php/krimoj/article/view/234/158
 
 
9) Gewalt gegen Rettungskräfte
Die Ergebnisse des Projekts AMBOSafe (Angriffe auf Mitarbeiter*innen und Bedienstete von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) liegen vor. Materialien zur Reduktion von Gewalt gegen Einsatzkräfte, wie Einsatzkarten zum Eigenschutz, Poster zur Bewusstmachung der Gefahr und eine Übungskonzeption wurden entwickelt und stehen, wie auch einige frei zugängliche Veröffentlichungen, kostenfrei zum Download auf der Homepage zur Verfügung. https://ambosafe.de/praxismaterialien/
 
 
10) Messerkriminalität – polizeiliche Sichtweisen
Messerkriminalität ist ein Problem auch in England und Wales. Es ist wenig darüber bekannt, was Polizeibeamten zu Präventionsansätzen denken. Interviews und Fokusgruppen mit 44 Polizeibeamten zeigten, dass Messerkriminalität als ein komplexes soziales Problem angesehen wird, das nicht mit "Patentrezepten" gelöst werden kann; Prävention hat Vorrang, und die Grenzen der Strafverfolgung werden weithin anerkannt; der Schwerpunkt liegt auf dem Verständnis von und der Reaktion auf Anfälligkeit und Risiko. Das Problem wird als ein behördenübergreifendes Problem angesehen, das die Polizei nicht allein bewältigen kann. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=997
 
 
11) Jugendkriminalität und Polizei
Eine vergleichende empirische Studie über die Polizeiarbeit in den Vereinigten Staaten und in Frankreich stellt die These auf, dass die Polizei in beiden Ländern als ein Amalgam von fünf verschiedenen Berufskulturen oder "Intelligence Regimes" betrachtet werden sollte. Wie die Polizei soziale Probleme von Jugendlichen wahrnimmt, hängt davon ab. Ein und dasselbe Problem kann sogar innerhalb ein und derselben Polizeidienststelle auf grundlegend unterschiedliche Weise betrachtet werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=998
 
 
12) HELP-Programms des Europarats
Mit inzwischen mehr als 45 Online-Kursen zum Thema Menschenrechte ist dieses Online-Programm für alle empfehlenswert, die im Bereich der Strafverfolgung arbeiten. Die meisten HELP-Kurse befassen sich mit der Rechtsprechung des EuGH, die wesentliche, auch in Deutschland geltende Grundprinzipien betrifft. Nach Abschluss eines Kurses erhält man einen individuellen und digitalen Leistungsnachweis. https://www.coe.int/en/web/help/courses
 
 
13) Typologie von Sexualstraftätern
Die Kriminologische Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei (KFG) hat eine Studie zur Typologie von Sexualstraftätern veröffentlicht. Die Datenbasis bilden 3.535 Personen ab 14 Jahren, die in der polizeilichen Datenbank mit mindestens einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung registriert wurden. Vollständiger Projektbericht: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=999
 
 
14) Weniger Straftaten durch härtere Strafen?
Der Sentencing Council GB hat eine Studie veröffentlicht, die Erkenntnisse über die Wirksamkeit verschiedener Strafen zusammenfasst. Ausgewertet werden Forschungen seit 2002 zu Faktoren im Zusammenhang mit Rückfälligkeit und Resozialisierung. Die Ergebnisse machen deutlich, dass härtere Strafen nicht dazu beitragen, Rückfälle und Straftaten zu reduzieren. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1000
 
 
15) Anonymes Hinweisgebersystem in Baden-Württemberg erfolgreich
Im BKMS (Business Keeper Monitoring System) können anonym Straftaten zur Kenntnis gebracht werden. Ursprünglich wurde das BKMS® für die Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität sowie des Rechtsextremismus eingerichtet. Zwischenzeitlich wird es auch im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus, Linksextremismus und Antisemitismus eingesetzt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1001
 
 
16) Polizeikontrolle in den USA: Was wirkt, was nicht
Der Mangel an formeller Rechenschaftspflicht nach Polizeigewalt gegen farbige Bevölkerungsgruppen hat seit langem in den USA die Forderung nach einer verstärkten Polizeiaufsicht genährt. Dennoch ist wenig darüber bekannt, wie sich die Beziehungen zwischen den Organisationen auf die Untersuchung von Bürgerbeschwerden auswirken, sobald Bürgerprüfungsausschüsse (CRBs) eingerichtet sind. Auf der Grundlage von ethnographischen Feldforschungen, Interviews und Archivquellen zeigt eine Studie, wie CRBs als bürokratische Agenturen arbeiten, die sich vordergründig mit polizeilichem Fehlverhalten befassen, jedoch durch kommunale Machtverhältnisse gesteuert werden, die die Fähigkeit der Agentur, Veränderungen zu bewirken, neutralisieren. Der Autor schlägt daher ein anderes System der Polizeikontrolle vor. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1002
 
 
17) Das Internet als Tatort
Zu diesem Thema veranstaltet die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) vom 5.--6. Oktober 2023 eine Fachtagung in Wiesbaden. Tagungsprogramm und Anmeldeformular unter https://www.krimz.de/tagungen/fachtagung-2023.html