Nr. 139, März 2011
 
12) Kommentar zur U-Haft in Hamburg: zwischen Präventionsstaat und Hysterie
Dem scheidenden Hamburger Senat ist es gelungen, Präventionsstrafrecht und Hysterie miteinander zu verbinden und zwar in Form eines Gesetzesentwurfs zur Effektivierung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr (BR-Drs. http://bit.ly/gf31pf). Die kritische Reaktion des BMJ (Plenarprotokoll der 879. Sitzung, S. 13, http://bit.ly/hkENBs) lässt hoffen, dass das Gesetz nicht über das Entwurfsstadium hinaus kommt. Gleichwohl lohnt sich ein Blick auf die Entwurfsfassung, da sie symptomatisch für die Strafrechtspolitik der letzten Jahre steht. Ziel Hamburgs ist es, durch eine Ausweitung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr auf qualifizierte Körperverletzungsdelikte (Vergehen!), die Bevölkerung insbesondere vor jugendlichen und heranwachsenden Gewalttätern zu schützen. Sowohl aus strafrechtsdogmatischen als auch aus kriminologischen Gründen ist der Entwurf abzulehnen: Schon am Namen "Untersuchungshaft", erst recht aber an dem Zweck des Strafverfahrens wird deutlich, dass die Untersuchungshaft lediglich die Durchführung des Strafverfahrens gegenüber einem bis zur Verurteilung Unschuldigen ermöglichen soll. Dass der Haftgrund der Wiederholungsgefahr daher an sich systemfremd ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1973 (2 BvL 4/73) herausgestellt, um gleichzeitig zu verdeutlichen, dass der Haftgrund besonders restriktiv zu handhaben ist und nicht etwa nach Belieben als Mittel der Kriminalprävention eingesetzt werden darf. Interessant ist das erklärte Ziel, durch Inhaftierung "die mitunter erst am Beginn einer kriminellen Laufbahn stehen(den)" Jugendlichen auf den rechten Weg bringen zu wollen, widerspricht dies doch der immer wieder bestätigten Erkenntnis, dass es gerade das Knast-Milieu ist, welches kriminogene Wirkung entfaltet.