Polizei : Newsletter Nr. 105, Februar 2008

 1)   Söldner mit Polizeiaufgaben
 2)   Handbuch der Polizeien Deutschlands
 3)   Je mehr Geld für den Strafvollzug, umso mehr Strafgefangene
 4)   Rückgang bei Tötungsdelikten dank alternder Drogendealer?
 5)   Wirksamkeit von sozialen Trainingskursen in Form von „Crash-Kursen“ zur Entlassungsvorbereitung aus dem Strafvollzug.
 6)   Wohnumfeld beeinflusst Bereitschaft des Opfers, die Polizei zu benachrichtigen
 7)   Häusliche Gewalt in Zürich
 8)   Evaluationsstudie „Kommunale Integrationsprojekte mit Migranten“
 9)   Einbrecher folgen expertengleichem Denk- und Verhaltensmuster
10)  Stalking-Kit
11)  “Anti-Stalking-Gesetze wirken.” Tatsächlich?
12)  Grenzen der Erkenntnisfähigkeit der Polizei?
13)  Gewalterfahrungen, gesellschaftliche Orientierungen und Risikofaktoren von Jugendlichen
14)  Private Jugendgefängnisse auf lange Sicht ineffizient
15)  Neuere kriminologische Forschung im Südwesten
 
1) Söldner mit Polizeiaufgaben
Schon seit geraumer Zeit ist bekannt, dass private Sicherheitsdienste z.B. im Irak im Auftrag der USA Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. Ein Beitrag in der Zeitschrift CD-Sicherheitsmanagement listet über 40 solcher „Militärgesellschaften“ auf und benennt die Auftraggeber sowie die Vertragssummen. Dabei wird auch auf das Training der Söldner eingegangen – nach eigenen Angaben verfügt z.B. die Fa. Blackwater (deren Mitarbeiter Ende 2007 15 Iraker „ohne Not“ getötet hatten) über die größte taktische Trainingseinrichtung der Welt. Ein Video dazu findet sich auf der Website der Chicago Tribune http://www.chicagotribune.com/news/local/chi-blackwater07sep07,1,891224.story?ctrack=1&cset=true Quelle: P. Linnertz, Söldner der Sicherheit. Im dunklen Wasser…. In: CD Sicherheits-Management 6, 2007, S. 16-32. Das am 5.12.2007 zwischen Außen- und Verteidigungsministerium geschlossene, geheime sog. „Blackwater-Agreement“ ist im Übrigen im Internet unter http://hosted.ap.org/specials/interactives/wdc/documents/iraq_contractors/contractors_120507.pdf (Stand 8.1.2008),
 
 
2) Handbuch der Polizeien Deutschlands
Als „Standardwerk zur Polizei in Deutschland“ kündigt der Verlag dass Handbuch an. Tatsächlich werden in dem fast 600 Seiten starken Buch alle 16 Polizeien der Bundesländer und die beiden Polizeien des Bundes dargestellt. Dies geschieht allerdings nicht so systematisch, wie es in der Ankündigung des Buches vom Verlag betont wird. Leider sind die Inhalte in den einzelnen Kapiteln zu den Länderpolizeien nur teilweise miteinander vergleichbar, auch wenn sie im Prinzip einer einheitlichen Gliederung folgen. Eine ausführliche Besprechung von Thomas Feltes findet sich im Buchbesprechungsteil des Polizei-Newsletter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php.Quelle: Groß, Hermann, Frevel, Bernhard, Dams, Carsten (Hrsg.): Handbuch der Polizeien Deutschlands. VS-Verlag Wiebaden 2008. 593 S. Geb., ISBN: 978-3-531-15709-2, 49,90 Euro
 
 
3) Je mehr Geld für den Strafvollzug, umso mehr Strafgefangene
Nicht die Kriminalitätsrate entscheidet über die Zahl der Strafgefangenen in den USA, sondern die Ausgaben für Strafverfolgung und Strafvollzug. Je mehr Geld hierfür bereitgestellt wird, umso mehr Menschen landen im Gefängnis. Dieses sowie weitere interessante Fakten referiert ein Bericht von Hermann Ploppa, der auf Telepolis bei heise. de zur Verfügung steht. Da die USA mit 737 Strafgefangenen auf 100.000 Einwohner (zum Vergleich: Deutschland derzeit 98, in den 1970er Jahren 25) weltweit führend ist, interessieren vor allem die dort dargestellten selektiven Kriterien der Strafverfolgung. Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26902/1.html (Dank an R. Mokros)
 
 
4) Rückgang bei Tötungsdelikten dank alternder Drogendealer?
Der rückläufige Handel mit illegalen Drogen ist ein wahrscheinlicher Grund für den Rückgang der Tötungsdelikte seit den 1990er Jahren. Neu ist hingegen die Begründung zweier US-Wissenschaftler. Sie fanden heraus, dass neben dem genannten Faktor auch das zunehmende Alter der an Drogengeschäften Beteiligten sowie ein „freundlicheres und sanfteres“ Drogenmilieu Ursachen für die rückläufige Zahl der Tötungsdelike sind. Quelle: Ousey, Graham C.; Lee, Matthew R. (2007), Homicide Trends and Illicit Drug Markets: Exploring Differences Across Time, in Justice Quaerly 24 (01), 48-79.
 
 
5) Wirksamkeit von sozialen Trainingskursen in Form von „Crash-Kursen“ zur Entlassungsvorbereitung aus dem Strafvollzug.
Die Studie der Fordham University in New York evaluiert den Erfolg des „Project Greenlight“ im Staat New York. In einem auf acht Wochen begrenzten Programm sollten unmittelbar vor Haftentlassung in täglichen Gruppensitzungen soziale Kompetenzen trainiert, Arbeitsaufnahme und Wohnungsbeschaffung gefördert und ein Netzwerk für die Zeit nach der Entlassung aufgebaut werden. Ergebnis der Begleitforschung war, dass die Teilnehmer an der Maßnahme nach einem Zeitraum von 1 Jahr signifikant höhere Rückfallquoten aufwiesen als nicht oder mit anderen Programmen trainierte Vergleichsgruppen. Das Scheitern des Programms wird in der Evaluationsstudie wesentlich auf die für kognitiv-behaviorale Programme viel zu große Gruppenstärke (26 Teilnehmer), die kompakte Programmgestaltung, den Zwang zur Teilnahme, die geringe Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, die mangelhafte Programmausführung und die unzureichende Nachsorge zurückgeführt. Derartige Programme, die von Politik und Vollzugsbehörden wegen der geringen Kosten als erfolgversprechende Maßnahmen „verkauft“ werden, können also mehr Schaden als Nutzen bewirken. Das wird aber nur durch externe Evaluation erkennbar, weil in der Wahrnehmung der Beteiligten allein schon die Durchführung der Programme als positiv erlebt wird. Quelle: Wilson, J. A. (2007): Habilitation or Harm: Project Greenlight and the Potential Consequences of Correctional Programming, in National Institute of Justice Journal, Issue No. 257, Juni 2007, 2-7.
 
 
6) Wohnumfeld beeinflusst Bereitschaft des Opfers, die Polizei zu benachrichtigen
Je schwerwiegender das Verbrechen, desto eher ruft das Opfer die Polizei. Daneben wird das Opfer bei seiner Entscheidung auch durch nachbarschaftliche Faktoren beeinflusst. So verstärkt ein starker Zusammenhalt der Nachbarschhaft die Bereitschaft des Opfers, die Polizei zu verständigen. Eine schlechte wirtschaftliche Situation des Stadtteils sorgt hingegen dafür, dass dies unwahrscheinlicher wird. Dahingegen hat das Vertrauen in die Effektivität der Polizeiarbeit keinen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung des Opfers, die Polizei zu benachrichtigen. Quelle: Goudriaan, H.; Wittebrood, K.; Nieuwbeerta, P. (2006), Neighbourhood characteristics and reporting crime: Effects of social cohesion, confidence in police effectiveness and socio-economic disadvantage, in: British Journal of Criminology, 46 (4), 719-742.
 
 
7) Häusliche Gewalt in Zürich
Die 2004 veröffentlichte Promotion der Chefin der Kriminalpolizei beim kantonalen Korps der Zuger Polizei nimmt die erstintervenierende Behörde bei Häuslicher Gewalt – die Polizei – in den Blick. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Auswertung polizeilicher Daten zu Interventionen der Stadtpolizei Zürich im Bereich Häusliche Gewalt der Jahre 1999-2001. Silvia Steiner (2004): Häusliche Gewalt. Erscheinungsformen, Ausmaß und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt Zürich. Verlag Rüegger, Zürich 2004, 244 Seiten, ISBN 3 7253 0784 9, 28.80€ / 45 CHF. Eine ausführliche Besprechung durch Diana Ziegleder findet sich im Buchbesprechungsteil des Polizei-Newsletter http://www.polizei-newsletter.de/books_german.php.
 
 
8) Evaluationsstudie „Kommunale Integrationsprojekte mit Migranten“
Im Mai 2007 wurde die Evaluationsstudie zum Förderprogramm "Integration von Ausländern, interkultureller Dialog", das von der Landesstiftung zwischen 2001 und 2005 in fünf baden-württembergischen Städten mit hohem Ausländeranteil durchgeführt und mit 500.000 Euro gefördert wurde, veröffentlicht. Im Rahmen des Förderprogramms wurden innovative kommunale Modellvorhaben unterstützt, die sich an neu zugewanderte Ausländerinnen und Ausländer mit dauerhaftem Bleiberecht sowie an bereits länger hier lebende Migranten mit „Integrationsbedarf“ richten. Den Evaluationsbericht finden Sie auf der Internetseite der Landesstiftung Baden-Württemberg. Quelle: Innenministerium Baden-Württemberg, Projektbüro Kommunale Kriminalprävention, Newsletter Nr. 22, Oktober 2007
 
 
9) Einbrecher folgen expertengleichem Denk- und Verhaltensmuster
Einbrecher folgen bei ihren Taten bestimmten Verhaltensmustern, die denen von Profis auf anderen Gebieten ähneln. Im Rahmen einer Befragung von 50 Einbrechern beschrieb zwar die Mehrheit ihre Vorgehensweise innerhalb von Gebäuden als automatisch ab¬laufend. Die beschriebenen Verhaltensweisen innerhalb des Einbruchobjekts folgten je¬doch größtenteils vorhersehbaren Abläufen. Dies lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass Einbrecher insbesondere hinsichtlich Geräuschen und Geschwindigkeit einem Denk- und Verhaltensmuster folgen, das auch bei Experten beliebig anderer Gebiete festzustellen ist. Quelle: Nee, C.; Meenaghan, A. (2006), Expert decision making in burglars, in: British Journal of Criminology, 46 (5), 935-949.
 
 
10) Stalking-Kit
Der Verein TOA-Bremen hat mit dem LKA und anderen Beteiligten eine Praxisanleitung für den Umgang mit Stalking entwickelt, das sog. Stalking-KIT. Es kann auch elektronisch herunter geladen werden, und zwar unter folgender URL: http://www.stalking-kit.de/
 
 
11) “Anti-Stalking-Gesetze wirken.” Tatsächlich?
Der nordrhein-westfälische Innenminister Wolf bezeichnet den Nachstellungs-Tatbestand des deutschen StGB als wirkungsvoll und begründet dies mit der hohen Zahl der Verur¬teilungen. Unabhängig von dieser Aussage wurden 77 niederländische Stalking-Fälle un¬tersucht, um auf diese Weise das dortige Anti-Stalking-Gesetz zu bewerten. Neben der Bestrafung des Täters sieht das Gesetz dabei auch frühzeitige Interventionsmöglichkeiten vor. Der Autor der Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass ein frühes Einschreiten wichtiger ist als eine Bestrafung des Täters. Im Ergebnis wird Wolfs These zwar gestützt – jedoch nicht seine Begründung. Quelle: Malsch, M. (2007), Stalking: Do criminalization and punishment help?, in: Punishment & Society, 9 (2), 201-209.
 
 
12) Grenzen der Erkenntnisfähigkeit der Polizei?
Unter dem Titel „Über die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit gesellschaftlicher Ordnungsagenturen hat Jochen-Thomas Werner, Dozent an der Niedersächsischen Verwaltungsfachhochschule, eine Studie über Umweltwahrnehmung und innere Sicherheit vorgelegt. Die Studie fasst die wesentlichen Untersuchungsergebnisse zusammen, die im Sommersemester des Jahres 2005 im Rahmen eines Projektes zur empirischen Polizeiforschung gewonnen wurden. Angesiedelt im Bereich sinnver-stehender empirischer Sozialforschung geht es in ihr vor allem darum, polizeiliche Organisationen als soziokulturelle Sinnsysteme verständlich zu machen, die zwar innerhalb ihrer jeweiligen Organisationsarchitektur ihren Mitgliedern berufliche Orientierung bieten können, aber nicht außerhalb derselben. Mangelt es den Mitgliedern solcher zweckrational organisierten Systeme aber außerhalb der ihr vertrauten Sphäre an Deutungs- und Orientierungsfähigkeit, dann können sie ihren polizeilichen Auftrag – innerhalb einer modernen, funktional differenzierten und multi-ethnischen Gesellschaft – nicht in befriedigender Weise wahrnehmen. Die Chance, soziale Kontrolle ausüben zu können, setzt Vertrautheit mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen zwingend voraus. Ist sie nicht gegeben, kann nur weniges Vertrautes kontrolliert werden . Das Unvertraute entzieht sich polizeilicher Kontrolle. Die Studie steht im Online-Bereich des Polizei-Newsletter zum kostenlosen download zur Verfügung: http://www.polizei-newsletter.de/online_documents_german.php
 
 
13) Gewalterfahrungen, gesellschaftliche Orientierungen und Risikofaktoren von Jugendlichen
Unter dem Titel „Gewalterfahrungen, gesellschaftliche Orientierungen und Risikofaktoren von Jugendlichen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald 1998 - 2002 – 2006.“ sind erste zentrale Ergebnisse einer Langzeitstudie zur Lebenssituation und Delinquenz von Jugendlichen in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald veröffentlicht worden. Quelle: Frieder Dünkel, Dirk Gebauer, Bernd Geng, Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald, Lehrstuhl für Kriminologie Greifswald, Online: http://www.rsf.unigreifswald.de/fileadmin/mediapool/lehrstuehle/duenkel/Schuelerbefragung_HGW_1998_2002_2006.pdf
 
 
14) Private Jugendgefängnisse auf lange Sicht ineffizient
Profitorientierte private Jugendgefängnisse können gegenüber staatlichen Anstalten mit geringeren Kosten punkten. Dies ergab eine Auswertung von Daten aus dem US-Bundesstaat Florida für den Zeitraum von 1997 bis 1999. Privat geführte Haftanstalten ge¬hen jedoch auch mit höheren Rückfallraten einher. Wägt man diese Kosten und Nutzen gegeneinander ab, wird die kurzzeitige Ersparnis durch höhere Rückfallraten aufgezehrt, so dass private Anstalten auf lange Sicht schlechter dastehen. Vor diesem Hintergrund er¬scheinen staatlich geführte Anstalten sowohl im Hinblick auf die Kosten als auch die Rück¬fallrate vorteilhafter. Quelle: Bayer, P., Pozen, D. E. (2005); The effectiveness of juvenile correctional facilities: Public versus private management, in: Journal of Law and Econom¬ics, 48 (2), 549-589.
 
 
15) Neuere kriminologische Forschung im Südwesten
Die 2. Auflage 2007 des Jubiläumsbandes zu 40. Jubiläum der "Südwestdeutschen Kriminologie" erschienen, in dem die Institute bzw. Lehrstühle der Kriminologie über ihre Arbeit berichten. Der Band ist auch als PDF- Datei verfügbar: "Neuere Kriminologische Forschung im Südwesten. Eine Darstellung der Forschungsarbeit aus Anlass des 40. Kolloquiums der Südwestdeutschen und benachbarten Kriminologischen Institute", herausgegeben von Sven Höfer und Gerhard Spiess, ist jetzt auf der Homepage des MPI unter http://www.mpicc.de/shared/data/pdf/u_onlinefassung.pdf abrufbar. Außerdem ist er bei der Deutschen Nationalbibliothek unter der Webadresse http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=985828420 dauerhaft archiviert.