Polizei : Newsletter Nr. 249, Februar 2021

 1)   Erfahrungen mit ungerechter Behandlung durch die Polizei
 2)   Rassismus in der Polizei und „polizeilicher Humor“
 3)   Rechtes Denken, rechte Räume?
 4)   Empirische Standortbestimmung der Heimerziehung
 5)   Elements of Crime
 6)   „Deplatforming“
 7)   Carjacking steigt in den USA aufgrund von Corona
 8)   Viktimisierung und Verbrechensfurcht in der „Gig Economy“
 9)   Predictive Policing
10)  Bewertung von polizeilichen Befragungen durch verurteilte oder freigesprochene Tatverdächtige
11)  Peer-Effekte bei Fehlverhalten der Polizei
12)  Evaluation der unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Dänemark
13)  Newsletter des American Society of Criminology (ASC) seit 1950 online
14)  Gewalt reduzieren ohne Polizei
15)  Und wieder mal: Bodycams
16)  Verletzung des Rechts auf ein faires Strafverfahren durch staatliche Tatprovokation
 
1) Erfahrungen mit ungerechter Behandlung durch die Polizei
Unter Verwendung von Daten aus einer der größten Langzeitstudien in den USA zeigen die Forscher, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemals eine ungerechte Behandlung durch die Polizei gemeldet wird, bei Minderheiten (und insbesondere bei Nicht-Latino-Schwarzen), Männern und Personen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Hintergrund überproportional hoch ist. Darüber hinaus wirken sich solche Erfahrungen nachteilig auf alle sozialpsychologischen und Verhaltensergebnisse im Erwachsenenalter aus. Unfairer Polizeikontakt ist, so die Forscher, weiterhin ein "normales" Lebensereignis für Schwarze in der USA. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=761
 
 
2) Rassismus in der Polizei und „polizeilicher Humor“
Eine Studie in Finnland hat ethnisch-rassistische sowie kulturelle Ansichten zu vier Arten von Polizeiverhalten zu untersucht: Respekt, Fairness, Freundlichkeit und Höflichkeit, um zu entscheiden, ob man der Polizei vertraut oder ihr misstraut. Die Studie zeigt, dass feindlicher polizeilicher Humor zu einer negativen Einstellung, Angst und mangelndem Vertrauen gegenüber der Polizei beiträgt, während jede respektvolle Interaktion eine positive Einstellung hervorruft. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=762
 
 
3) Rechtes Denken, rechte Räume?
Mit demokratiefeindlichen Entwicklungen und ihren räumlichen Kontexten beschäftigen sich Beiträge in einem open-access Buch. Rechte Orientierungen haben eine räumliche Dynamik; das Problem lediglich in strukturschwachen Regionen, im ländlichen Raum oder in benachteiligten Wohngebieten zu verorten, ist jedoch verkürzt, reproduziert Stereotype und liefert kaum Erklärungen. Aus verschiedenen Fachdisziplinen werden diese komplexen Zusammenhänge auch mit Expert*innen aus der Praxis diskutiert. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=763
 
 
4) Empirische Standortbestimmung der Heimerziehung
Eine wissenschaftliche Analyse von Daten der amtlichen Kinder-und Jugendhilfestatistik ist vom „Zukunftsforum Heimerziehung“ vorgelegt worden: Sie zeigt einen deutlichen Anstieg der Zahlen zwischen 2008 und 2018 in Deutschland, der auch durch unbegleitete Flüchtlinge bedingt ist. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=764
 
 
5) Elements of Crime
Unter dem etwas irreführenden Titel „Elements of Crime“ stehen auf der Website der HSPVNRW mehrere (deutschsprachige) Videos von Wissenschaftlern und Praktikern zu kriminologischen Themen zur Verfügung. https://www.video.hspv.nrw.de/channel/Elements-of-Crime/6
 
 
6) „Deplatforming“
Mit dem Deplatforming (also der Strategie zum dauerhaften Ausschluss einzelner Personen oder Gruppen von digitalen Plattformen) der extremen Rechten und seinen Folgen beschäftigt sich eine Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. Es geht um Hasskriminalität in sozialen Netzwerken http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=765
 
 
7) Carjacking steigt in den USA aufgrund von Corona
Zumindest für einige Städte werden Anstiege bis zu 165% berichtet http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=766
 
 
8) Viktimisierung und Verbrechensfurcht in der „Gig Economy“
Unter dem Titel „Victimisation and Fear of Crime in the Gig Economy” ist eine Studie erschienen, die sich mit den (Kriminalitäts-)Problemen im Zusammenhang mit der „Gig Economy“ beschäftigt. Damit wird der Teil des Arbeitsmarktes, bei dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden. Konkret geht es um die Auswirkungen der Kriminalität auf Liefer-Kuriere in London. Es ist die erste Studie, die diese Kategorie von Arbeitnehmern aus kriminologischer Sicht untersucht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=767
 
 
9) Predictive Policing
Unter dem Titel „Criminal Futures. Predictive Policing and Everyday Police Work“ ist ein Buch erschienen, in dem auch empirische Daten aus Deutschland und der Schweiz verarbeitet sind. Das Buch liegt u.a. als open access e-book vor: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=768
 
 
10) Bewertung von polizeilichen Befragungen durch verurteilte oder freigesprochene Tatverdächtige
Eine Studie, an der mehrere Universitäten in Deutschland beteiligt waren, hat untersucht, wie verurteilte oder freigesprochene Straftäter die Vernehmung durch die Polizei bewerten. Im Ergebnis zeigt die Studie, dass offene Vernehmungen sich positiver auswirken als Vernehmungen, die auf ein Geständnis ausgerichtet sind. https://bpspsychub.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/lcrp.12184
 
 
11) Peer-Effekte bei Fehlverhalten der Polizei
Eine Studie anhand von Daten von etwa 35.000 Mitarbeiter*innen des Londoner Metropolitan Police Service für den Zeitraum 2011–2014 untersuchte Unterschiede im Fehlverhalten von Polizeibeamt*innen. Eine Zunahme des früheren Fehlverhaltens von Kolleg*innen um 10% erhöht das spätere Fehlverhalten eines Beamten um 8%. Die Forscher betonen, dass das Verständnis der Vorgeschichte von Fehlverhalten dazu beitragen kann, Interventionen zu entwickeln, die Fehlverhalten reduzieren. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=769
 
 
12) Evaluation der unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Dänemark
Der Artikel berichtet über Ergebnisse einer Bewertung der 2011 eingerichteten dänischen unabhängigen Polizeibeschwerdebehörde (IPCA). Der Beitrag zeigt, dass sich die IPCA fast ausschließlich auf individuelles Fehlverhalten konzentriert und selten ausreichende Beweise findet, um Maßnahmen zu ergreifen. Dies führt zu Frustration bei den Beschwerdeführern, die primär Anerkennung suchen und die Polizeiorganisation zur Rechenschaft ziehen möchten. Es wird vorgeschlagen, das Beschwerdesystem auf die Vermittlung zwischen Beamten und Bürgern auszurichten und einen Schwerpunkt auf die organisatorische Rechenschaftspflicht zu legen. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/1477370819856514
 
 
13) Newsletter des American Society of Criminology (ASC) seit 1950 online
Alle Newsletter, die von der American Society seit 1950 veröffentlicht wurden, sind online verfügbar. Die Dokumente können auch nach Stichworten durchsucht werden. https://asc41.com/publications/the-criminologist/the-criminologist-online/
 
 
14) Gewalt reduzieren ohne Polizei
Verschiedene evidenzbasierte (also auf ihre Wirkung hin überprüfte) Strategien können Gewalt reduzieren, ohne dass die Polizei einbezogen werden muss. Unter ihnen sind vor allem die Verbesserung des physischen Umfelds, die Stärkung der Verhaltensnormen gegen Gewalt sowie die Bereitstellung von Jugendstruktur und –möglichkeiten. Eine umfassende Überprüfung der Forschung zu Programmen und Strategien wird hier vorgelegt. https://johnjayrec.nyc/2020/11/09/av2020/
 
 
15) Und wieder mal: Bodycams
Allein in New York produziert die Polizei rund 130,000 Bodycam-Videos jede Woche. Aufgrund der damit entstehenden Kosten haben andere Polizeibehörden den Einsatz inzwischen reduziert oder wieder ganz abgeschafft. Beamte, die die Geräte trugen, meldeten fast 40 Prozent mehr Kontrollen als Beamte, die dies nicht taten, was darauf hindeutete, dass die Bodycams die Beamten dazu zwingen könnten, ihre Kontrollen gemäß der als Stop-and-Frisk bezeichneten Abteilungsrichtlinie genauer zu erfassen. Die Studie ergab auch, dass Beamte, die Kameras trugen, 21 Prozent weniger Beschwerden erhielten als Beamte, die sie nicht trugen, was darauf hindeutete, dass beide Parteien - Beamte und Zivilisten - sich ihres Verhaltens bewusst waren, wenn die Geräte vorhanden waren. Die Geräte hatten jedoch keine wesentlichen Auswirkungen auf Verhaftungen, die Anwendung von Gewalt durch Beamte, die Meldung von Verbrechen und häuslichen Streitigkeiten oder die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber der Polizei. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=770
 
 
16) Verletzung des Rechts auf ein faires Strafverfahren durch staatliche Tatprovokation
In einer Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof deutlich gemacht, dass es Aufgabe der Polizei ist, Straftaten vorzubeugen und nicht, zu ihnen anzustiften. Das öffentliche Interesse an der Straftataufklärung rechtfertigt nicht den Rückgriff auf Beweise, die aus einer staatlichen Tatanstiftung herrühren. Alle aus einer polizeilichen Tatanstiftung entstammenden Beweise müssen aus dem Strafverfahren ausgeschlossen werden bzw. müssen vergleichbare Konsequenzen zum Beispiel durch die Annahme eines Verfahrenshindernisses gezogen werden. Niemand darf für eine Straftat bestraft werden, die durch eine staatliche Tatanstiftung bestimmt wurde. https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/egmr/15/40495-15.php Dazu ein Beitrag unter https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/20-11/index.php?sz=6