Polizei : Newsletter Nr. 270, Januar 2023

 1)   Polizei und psychiatrische Versorgung
 2)   Technologies in Decline – Buch online verfügbar
 3)   Polizeigewalt in Deutschland – eine Online-Dokumentation
 4)   Täglich mehr als 350 Notrufe wegen psychisch beeinträchtigter Personen – wie New York reagieren will
 5)   Generation Rücksichtlos?
 6)   Warum begeht man keine Straftaten mehr?
 7)   Freiheitsentziehung hat keinen Einfluss auf Rückfälligkeit
 8)   Studie zum Zusammenhang zwischen Polizeiverhalten und Polizeigewalt
 9)   Studie zu Polizeigewalt
10)  „Mythbuster“ zum Thema Prävention
11)  Distanz zwischen Wohn- und Tatort
12)  50. Symposium des Instituts für Konfliktforschung 2023
13)  Studie zum freiwilligen Polizeidienst in Baden-Württemberg
14)  Biosoziale Kriminologie
15)  Polizei, alte Menschen und Demenz
16)  Öffentliche (Un)Ordnung und Kriminalität – die Diskussion beginnt wieder
17)  Kriminalitätsvergleiche zwischen Städten – methodisch problematisch
18)  Auswirkungen des Wetters auf Kriminalität
19)  „Hast Du Eier, Freier?“
 
1) Polizei und psychiatrische Versorgung
Am 11.01.2023 findet von 15.00 bis 17.00 Uhr ein interdisziplinäres Symposium der BMBF-Forschungsgruppe SALUS zum Thema „Die Rolle der Polizei in der psychiatrischen Versorgung“ statt. Anmeldungen bis zum 10.01.23 per E-Mail an forschungundlehre@lwl.org. Weitere Informationen unter http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=957
 
 
2) Technologies in Decline – Buch online verfügbar
Wie kommt es zum Niedergang von Technologien, wie gehen Gesellschaften mit sich im Niedergang befindlichen Technologien um, und wie kann das Regieren ausdrücklich darauf ausgerichtet sein, sich von "unerwünschten" Technologien zu trennen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Buch. Bisher lag das Hauptinteresse der Technologieforschung darin zu verstehen, wie Neues entsteht, wie Innovation neue Möglichkeiten eröffnen kann und wie solche Prozesse unterstützt werden können. Neben dem Aufstieg von Technologien sollte auch ihr Niedergang untersucht werden. Der Umgang mit Technologien im Niedergang ist eine wichtige Herausforderung unserer Zeit, da soziotechnische Systeme zunehmend Teil der Probleme des Klimawandels, des Verlusts der biologischen Vielfalt, sozialer Ungleichheiten und geopolitischer Spannungen sind. Dieser Band präsentiert empirische Studien zu Technologien im Niedergang sowie konzeptionelle Klärungen und theoretische Vertiefungen. Kostenlos verfügbar unter http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=958
 
 
3) Polizeigewalt in Deutschland – eine Online-Dokumentation
COPSERVATION sammelt Berichterstattungen in Print- und Onlinemedien zu kontroversem Polizeiverhalten in Deutschland. Die Recherchegruppe arbeitet öffentlich diskutiertes polizeiliches Handeln von 1990 bis heute kartographisch sowie chronologisch auf und stellen die Ergebnisse als allgemeines Recherchemittel zur Verfügung. https://copservation.de/
 
 
4) Täglich mehr als 350 Notrufe wegen psychisch beeinträchtigter Personen – wie New York reagieren will
4.    Täglich mehr als 350 Notrufe wegen psychisch beeinträchtigter Personen – wie New York reagieren will Über das Notrufsystem der New Yorker Polizei gehen jedes Jahr weit mehr als 100.000 Anrufen ein, in denen es um Probleme mit einer möglichen E.D.P., einer emotional gestörte Person geht. Der Bürgermeister von New York bezeichnete dies als eine der Hauptursachen für die Kriminalität in der U-Bahn. Er will jetzt diese Personen durch Polizeibeamte in ein Krankenhaus bringen lassen. Er hat die Räumung von Obdachlosenlagern seit seinem Amtsantritt im Januar 2022 zu einer Priorität gemacht und argumentiert, dass die Stadt eine "moralische Verpflichtung" habe, diesen Menschen zu helfen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=959 Ein deutscher Bericht dazu findet sich hier: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=960
 
 
5) Generation Rücksichtlos?
Eine Studie der Universität Bielefeld ist der Frage nachgegangen, wie es um den Gemeinschaftssinn bei Kindern und Jugendlichen steht. Danach verfügen mehr als ein Fünftel der befragten Kinder über einen mangelhaft ausgeprägten Gemeinschaftssinn. Bei den Jugendlichen steigt dieser Anteil auf 33 Prozent. Mädchen sind empathischer, solidarischer, weniger gleichgültig und auch weniger abwertend als Jungen. Fast drei Viertel aller befragten Kinder (70 Prozent) sind zumindest teilweise gleichgültig gegenüber Gleichaltrigen in Problemlagen und weisen ihnen die individuelle Schuld dafür zu. 50 Prozent der Jugendlichen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status tendieren dazu, Randgruppen und Schwächere abzuwerten; Altersgenossen aus besser gestellten Haushalten zeigen dieses Verhalten nur zu 16 Prozent. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=961
 
 
6) Warum begeht man keine Straftaten mehr?
Als „desistance from crime“ wird der Ausstieg aus einer kriminellen Karriere bezeichnet. In den letzten drei Jahrzehnten hat die Forschung dazu Fortschritte gemacht. Eine Studie geht jetzt der Frage nach, warum Menschen Kriminalität aufhören und ob dies mit dem Alter und mit ihrem früheren Lebensstil zusammenhängt, konnte aber keinen Zusammenhang feststellen. Vielmehr sind bestimmte soziale Kontexte als entscheidend für den Wunsch, auszusteigen, aber diese können in verschiedenen Altersstufen auftreten und sind nur dann handlungsfördernd, wenn sie für die betreffende Person von Bedeutung sind. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=962
 
 
7) Freiheitsentziehung hat keinen Einfluss auf Rückfälligkeit
Eine Meta-Analyse von 116 Studien zeigt (wieder einmal), dass freiheitsentziehende Sanktionen keinen Einfluss auf Rückfälligkeit haben oder diese sogar leicht erhöhen, wenn man sie mit den Wirkungen von Sanktionen ohne Freiheitsentzug Sanktionen wie Bewährung vergleicht. https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/715100
 
 
8) Studie zum Zusammenhang zwischen Polizeiverhalten und Polizeigewalt
In einer Dissertation zeigt ein britischer Polizeibeamter, dass es einen starken Zusammenhang zwischen dem Verhalten eines Beamten und dem erhöhten Risiko, angegriffen zu werden gibt. Die Vorgehensweise eines Beamten, gepaart mit Handlungsdrang und dem Bedürfnis, Autorität (wieder) herzustellen, schaffen Situationen, in denen häufig ein höheres Risiko der Konflikteskalation besteht. Die Rolle der Polizei hat ebenfalls Einfluss auf das Risiko von Übergriffen, wobei die Arbeitsbelastung einen deutlichen Einfluss auf die polizeiliche Reaktion haben kann, einschließlich der Gefahr, dass ein unter Stress stehender Beamter überreagiert, wenn seine Autorität in Frage gestellt wird. Dadurch werden (erst) die Bedingungen geschaffen, unter denen es zu Übergriffen kommt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=963
 
 
9) Studie zu Polizeigewalt
Anhand von Videoaufzeichnungen haben Forscher Abläufe im Zusammenhang mit polizeilichem Gewalthandeln untersucht. Die einflussreichsten Variablen beziehen sich auf Aspekte zur Aufrechterhaltung der Autorität. Polizeiliche Gewaltanwendung resultiert demnach weitgehend aus dem Versuch der Beamten, Autorität gegenüber Zivilisten aufrechtzuerhalten. Aber auch die Anwesenheit von Unbeteiligten spielt eine Rolle. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1745-9125.12323  Die Ergebnisse entsprechen damit einer früheren Studie zur Polizeigewalt (auch) in Deutschland https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/mks-2007-900401/html
 
 
10) „Mythbuster“ zum Thema Prävention
Mehrere Beiträge auf der Website des EUCPN beschäftigen sich mit „Mythen“ zum Thema Kriminalprävention, so z.B. mit der Frage, ob organisierte Kriminalität international oder lokal bekämpft werden sollte. Die Beiträge stehen auch auf Deutsch zur Verfügung, wenn man die entsprechende Sprache auswählt. https://eucpn.org/knowledge-center?f%5B0%5D=categories_type%3A189
 
 
11) Distanz zwischen Wohn- und Tatort
Eine Studie in den USA hat untersucht, wie sich die Distanz zwischen Wohn- und Tatort unter Covid verändert hat. Generell hat sich die Distanz verkürzt, wobei es bei der Erkenntnis bleibt, dass die meisten Täter aus der unmittelbaren Wohnumgebung kommen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=964
 
 
12) 50. Symposium des Instituts für Konfliktforschung 2023
Das Symposium zu dem Thema „Armuts-Zeugnisse“ findet am 22. Und 23. April 2023 in Maria Laach statt. Programm und Anmeldung hier https://www.konfliktforscher.de/symposium-2023-2/
 
 
13) Studie zum freiwilligen Polizeidienst in Baden-Württemberg
Die Mitglieder des 1963 gegründeten Freiwilligen Polizeidienstes sind Polizeibeamte des Landes Baden-Württemberg, sind bewaffnet und tragen eine Polizeiuniform, die sich nur durch die Rangabzeichen von der regulären Polizei unterscheidet. Heute hat der FPD nur noch 30 % der Mitgliederzahl von 1965. Bislang liegt noch keine Studie zur Erforschung der Motive vor, Mitglied des FPD Baden-Württembergs zu werden. Für eine „Studie“ wurden zehn FPD-Mitglieder danach befragt, welchen Einfluss die Herkunftsfamilien und die politischen Rahmenbedingungen auf die Motivation haben. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=965
 
 
14) Biosoziale Kriminologie
Biologische Perspektiven auf die Kriminologie waren in den Vereinigten Staaten in den späten 1800er bis frühen 1900er Jahren weithin akzeptiert, gerieten jedoch in Ungnade, da die Forschungsergebnisse missbraucht wurden. Die Übersicht bietet eine detaillierte Geschichte der biosozialen Kriminologie und untersucht ihre Entwicklung neben der Soziokriminologie mit einem Schwerpunkt auf den sozialen und persönlichen Geschichten, die zum Wiederaufleben der biosozialen Kriminologie beigetragen haben. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/15564886.2022.2133035
 
 
15) Polizei, alte Menschen und Demenz
Da die Bevölkerung altert und immer mehr Menschen an Demenz erkranken, haben ältere Menschen zunehmend Probleme mit der Polizei. Jede Gewaltanwendung oder Verhaftung kann für jemanden, der bereits körperlich und geistig schwach ist, verheerend sein. Während viele Städte in den USA die Art und Weise ändern, wie sie auf Anrufe wegen psychischer Probleme reagieren - einschließlich der Frage, ob die Polizei anwesend sein sollte -, wurde den besonderen Risiken in Fällen, an denen Menschen mit Alzheimer und anderen Hirnerkrankungen beteiligt sind, weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Analyse der US-amerikanischen Kriminalitätsdaten zeigt, dass die Zahl der Verhaftungen von Menschen über 65 Jahren zwischen 2000 und 2020 um fast 30 Prozent gestiegen ist. Man geht davon aus, dass zwischen 2010 und 2020 mehr als 12.000 Menschen über 65 aufgrund von Verletzungen, die von der Polizei oder privaten Sicherheitsdiensten verursacht wurden, in einer Notaufnahme eines Krankenhauses landeten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=966
 
 
16) Öffentliche (Un)Ordnung und Kriminalität – die Diskussion beginnt wieder
Zumindest in den USA wird diese, erstmals in den 1980er Jahren geführte Diskussion um Zusammenhänge zwischen Kriminalität und öffentlicher Ordnung wieder geführt. Kelling und Wilson stellten mit „Broken Windows“ die berühmte These auf, dass Unordnung zu schwerwiegenderen Straftaten führen kann, wenn sie unbehandelt bleibt. Die offiziellen Kriminalitätszahlen sind im Vergleich zu den historischen Tiefstständen vor der Pandemie z.B. in New York gestiegen, aber was die Daten bedeuten und wie darauf zu reagieren ist, ist heftig umstritten. In einem Beitrag wird die Diskussion aufgegriffen und deutlich gemacht, dass Unordnung ein notorisch vager Begriff ist und missbraucht werden kann. https://www.vitalcitynyc.org/articles/the-public-square
 
 
17) Kriminalitätsvergleiche zwischen Städten – methodisch problematisch
Vergleiche der Kriminalität in verschiedenen Städten sind problematisch. Warum sollten beispielsweise die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit in wohlhabenden und verarmten Stadtvierteln gleich sein? Eine Studie aus Kanada stellt fest, dass die Beziehungen innerhalb der Stadt variieren und meist nur in weniger als der Hälfte der Stadt statistisch signifikant sind. Dies ist für die Entwicklung der Strafrechtspolitik und der Verbrechensverhütung von Bedeutung, da diese Initiativen meist nur an bestimmten Orten greifen und möglicherweise zu einer Fehlallokation knapper öffentlicher Ressourcen führen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=967
 
 
18) Auswirkungen des Wetters auf Kriminalität
Eine Studie untersuchen die Auswirkungen des Wetters auf die Gesamtkriminalität in Oslo sowie die Auswirkungen verschiedener Wetteraspekte (Temperatur, Windgeschwindigkeit, Niederschlag) auf die räumliche Verteilung der Kriminalität. Bei angenehmem Wetter (d. h. bei geringem Niederschlag, geringer Windgeschwindigkeit und hohen Temperaturen) kam es zu etwas mehr Kriminalität. Allerdings hatten weder Temperatur, Niederschlag noch Windgeschwindigkeit einen Einfluss auf die räumliche Verteilung der Kriminalität in der Stadt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=968
 
 
19) „Hast Du Eier, Freier?“
Im Rahmen dieser Präventionskampagne der Basler Polizei wurden seit Ende 2021 Banner mit prägnanten Slogans auf Webseiten für die Vermittlung von sexuellen Dienstleistungen geschaltet. Über die Banner gelangt man auf eine Webseite der SKP. Die Webseite macht die Besucher auf die Themen illegale Prostitution und Menschenhandel aufmerksam. Sie ermutigt zugleich, sich bei einem unguten Bauchgefühl bei der Nationalen Meldestelle gegen Menschenhandel oder bei der Polizei zu melden. Das Fazit hat ergeben, dass die Kampagne erfolgreich ist. Die Verdachtsmeldungen haben stark zugenommen. Die Kampagne leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur sichereren Gestaltung der Arbeitsumgebung von Sexarbeitenden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=969