Polizei : Newsletter Nr. 272, März 2023

 1)   Psychosoziale Belastungen von Polizeibeamten
 2)   „Stadionallianzen“ wirksam
 3)   Sind §§ 20 ff. StGB mit dem Grundgesetz vereinbar?
 4)   Welche Faktoren beeinflussen Polizeigewalt?
 5)   Kohortenstudie in Schweden: 50% der Männer bis zum Alter von 64 Jahren vorbestraft
 6)   Polizeikultur und geteilte Videos: „Showability“ von Polizeiarbeit
 7)   Einstellung gegenüber der Polizei bei „Protest Policing“
 8)   Roland-Rechtsreport
 9)   Hilfe statt Bestrafung
10)  Todesstrafe schreckt (noch immer) nicht ab
11)  Polizeiliche Maßnahmen nach Vergewaltigung und schweren Sexualstraftaten
12)  Warum scheitern Polizeireformen in ehemaligen Ostblock-Staaten?
13)  Bodycams und Polizeikultur
14)  Berliner Polizeistudie
15)  Mehr Geld für die Polizei, bessere Aufklärungsquoten?
16)  Hautfarbe als Verdacht. Das Zusammenwirken von „gefährlichen Orten“ und „racial profiling“
17)  Steigert Videoüberwachung das Sicherheitsempfinden?
18)  Preis für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Kriminalistik
 
1) Psychosoziale Belastungen von Polizeibeamten
Die Ergebnisse zur „Studie der Polizei und der Universitätsklinik Ulm zu Leistung und Stärke“ („PULS“) sind da, wie das baden-württembergische Innenministerium im Februar 2023 mitteilt. Damit können die psychosoziale Betreuung von Polizisten verbessert werden. Wo die kompletten Ergebnisse verfügbar sind, wird leider in der PM nicht mitgeteilt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=977
 
 
2) „Stadionallianzen“ wirksam
Die Wirksamkeit der Stadionallianzen wurde durch ein Forschungsprojekt im Auftrag des BMI durchgeführt wurde, überprüft. 91 Prozent der befragten lokalen Sicherheitsakteure gaben demnach an, die Stadionallianzen seien „wichtig und gewinnbringend“. Befragt wurden vor allem Polizei- und Vereinsvertreter, keine Besucher oder Fans, und auch Daten zu Vorkommnissen in oder um Stadien wurden nicht erhoben. Der vollständige Bericht: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=978
 
 
3) Sind §§ 20 ff. StGB mit dem Grundgesetz vereinbar?
Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener und die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener veranstalten gemeinsam einen Essaywettbewerb für die beste Antwort auf die Frage: „Nach Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz ist die Würde des Menschen unantastbar. Verstoßen die §§ 20, 21, 63 und 64 des Strafgesetzbuches daher gegen das Grundgesetz?“ https://www.die-bpe.de/preisausschreiben_essay.htm
 
 
4) Welche Faktoren beeinflussen Polizeigewalt?
In der vorliegenden Studie wird die polizeiliche Gewaltanwendung als eine Reihe von zeitgebundenen Transaktionen zwischen Beamten, Zivilisten und Umstehenden anhand von Bodycam-Aufzeichnungen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Variablen die Gewaltanwendung zu einem bestimmten Zeitpunkt beeinflussen. Die einflussreichsten Variablen beziehen sich auf theoretische Konstrukte zur Aufrechterhaltung der Autorität. Dieses Ergebnis stützt frühere Ergebnisse. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=979
 
 
5) Kohortenstudie in Schweden: 50% der Männer bis zum Alter von 64 Jahren vorbestraft
Fast die Hälfte aller Männer wurden bis zum Alter von 64 Jahren mindestens wegen einer Straftat erfasst, bei Frauen lag der Anteil bei 15 %. Dabei ereigneten sich Fast die Hälfte aller männlichen und mehr als zwei Drittel aller weiblichen Straftaten nach dem 25 Lebensjahr, bei Gewaltdelikten sogar etwa zwei Drittel bei beiden Geschlechtern. Mehrmals erfasst wurden 23 % aller Männer und 38 % aller Frauen mit einem Strafregistereintrag. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung erst im Erwachsenenalter straffällig wird. https://link.springer.com/article/10.1007/s40865-021-00172-w
 
 
6) Polizeikultur und geteilte Videos: „Showability“ von Polizeiarbeit
Auf der Grundlage einer ethnografischen Studie über die niederländische Polizei wird gezeigt, dass Beamte Videos von verschiedenen polizeilichen Handlungen zeigen, austauschen und diskutieren, und zwar an verschiedenen Orten, z. B. in Büroräumen, Streifenwagen und auf der Straße. Das Zeigen von Videos ist eine neue Berufspraxis, die, wie das Erzählen von Geschichten, Aspekte der Polizeikultur, z. B. ein männliches Ethos, verstärkt und widerlegt. Vorzeigbarkeit wird als Schlüsselmerkmal polizeilicher Praktiken gesehen. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/14773708221144826
 
 
7) Einstellung gegenüber der Polizei bei „Protest Policing“
Die Studie untersucht in einem quasi-experimentellen Design, wie sich die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der Polizei nach der gewaltsamen Auflösung einer Protestbewegung gegen ein neues Bahnhofsprojekt in Stuttgart am 30. September 2010 verändert hat. Es gab wenig bis gar keine Veränderungen in der Wahrnehmung von Polizei und Legitimität, insbesondere in Bezug auf das Vertrauen in die Polizei. Allerdings sahen die Befragten die Polizei als stärker durch politischen Druck beeinflusst an. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10439463.2022.2064857
 
 
8) Roland-Rechtsreport
Laut dieser Umfrage haben 70 Prozent sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze und in die Gerichte. Auf einen besseren Wert kommen nur kleine und mittlere Unternehmen sowie die Polizei. Unter den Impfverweigerern haben nur 27 Prozent sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze und 34 Prozent in die Gerichte, mur 11 Prozent vertrauen der Regierung. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=980
 
 
9) Hilfe statt Bestrafung
Laut einer neuen nationalen Umfrage in den USA unter Opfern von Straftaten vernachlässigt das Justizsystem die Bedürfnisse der Opfer von Straftaten. Opfer von Straftaten wollen mit großer Mehrheit Rehabilitation statt Bestrafung vorziehen und finden, dass ihre eigenen Bedürfnisse nur selten durch Entschädigung oder Beratung erfüllt werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=981
 
 
10) Todesstrafe schreckt (noch immer) nicht ab
Die vorliegende Analyse untersucht Veränderungen in der Todesstrafenpolitik in einzelnen Bundesstaaten der USA. Anhand von Daten aus den Jahren 1979 bis 2019 wurden die Auswirkungen von Moratorien der Todesstrafe auf die Mordraten in vier Staaten untersucht. Demnach führten Moratorien für die Todesstrafe in allen Staaten sogar zu einem (wenn auch nicht signifikanten) Rückgang der Tötungsdelikte. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1745-9133.12601  
 
 
11) Polizeiliche Maßnahmen nach Vergewaltigung und schweren Sexualstraftaten
Mehrere Beiträge in einem Sonderheft der Zeitschrift International Criminology im September 2022 beschäftigen sich mit der Frage, wie die Polizei (hier in Großbritannien) ihre Maßnahmen im Rahmen von Ermittlung bei schweren Sexualdelikten verbessern kann. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=982
 
 
12) Warum scheitern Polizeireformen in ehemaligen Ostblock-Staaten?
In der Diskussionen über Polizeireformen in nicht-westlichen Kontexten wird immer wieder die Frage gestellt, warum die Reformen dort scheitern. Es wird häufig auf personelles und institutionelles Versagen innerhalb der Polizeiorganisationen, die Schwäche formaler externer Kontroll- und Rechenschaftsinstitutionen, die mangelnde Einbeziehung hybrider Formen der Staatsführung oder deren Anpassung an diese oder das Versagen bei der Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit im weiteren Sinne zurückgeführt. Für Georgien, Kirgisistan und Russland legt eine Studie nahe, dass geringe staatliche Kapazitäten sowie autoritäre und neopatrimoniale Politiken die größten Hindernisse darstellen. In Staaten mit geringer Kapazität ist die Bezahlung der Polizei unzureichend und die bürokratische Kontrolle schwach. Formale Reformen haben wenig Einfluss auf die Polizei, die von der organisierten Kriminalität und korrupten Polizeiführern und Politikern beeinflusst wird. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10439463.2022.2106983
 
 
13) Bodycams und Polizeikultur
Mit dem Einfluss von Polizeikultur auf die Akzeptanz von Bodycams beschäftigt sich ein Beitrag mit dem interessanten Titel „Culture eats strategy for breakfast“ aus den USA. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=983
 
 
14) Berliner Polizeistudie
Als erste Studie zum Problem des Rassismus in der Polizei hat der Berliner Senat im Oktober 2022 die „Berliner Polizeistudie“ veröffentlicht. Mut einem „Mix-Methods-Ansatz“ wurden u.a. Polizeieinsätze begleitet und Experten- sowie Fokusgruppen-Interviews durchgeführt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=984
 
 
15) Mehr Geld für die Polizei, bessere Aufklärungsquoten?
Der Frage, ob die Finanzierung der Polizei Auswirkungen auf die Aufklärung von Tötungsdelikte hat, geht eine Studie in den USA nach. Dazu wurden Daten zu Tötungsdelikten in etwa 50 der größten US-Städte von 2007 bis 2017 ausgewertet. Im Ergebnis gibt es keine Hinweise darauf, dass eine höhere Polizeifinanzierung zu höheren Aufklärungsraten bei Tötungsdelikten führt. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jels.12325?campaign=woletoc
 
 
16) Hautfarbe als Verdacht. Das Zusammenwirken von „gefährlichen Orten“ und „racial profiling“
Unter diesem Titel ist ein Beitrag im KrimOJ erschienen, der rechtliche Bedenken aufgreift und darlegt, dass die Definition „gefährlicher Orte“ zu einem erhöhten Kontrolldruck gegenüber PoC führt und Praktiken des „racial profiling“ begünstigt. https://www.kriminologie.de/index.php/krimoj/article/view/210/141
 
 
17) Steigert Videoüberwachung das Sicherheitsempfinden?
Mit dieser Frage beschäftigt sich ein Beitrag, in dem die Autoren die Alternativannahme prüfen, dass die Zustimmung zur offenen Videoüberwachung im öffentlichen Raum nicht dem Niveau des Sicherheitsempfindens folgt, sondern sich als eine eigenständige stabile Größe erweist, die von Drittvariablen verursacht wird. Dafür werden die Viktimisierungserwartung, auf Alter und Geschlecht rekurrierende Kriminalitätsfurchtparadox, autoritäre Einstellung sowie das Vertrauen in die Polizei herangezogen. https://www.kriminologie.de/index.php/krimoj/article/view/211/142
 
 
18) Preis für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Kriminalistik
Die Deutsche Gesellschaft für Kriminalistik (DGfK) schreibt – wie jedes Jahr – einen Preis für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Kriminalistik aus. Der Preis ist mit 2.000 € dotiert. Die Einreichungsfrist endet am 31.03.23. Näheres unter: https://kriminalistik.com/preis-der-dgfk/