Polizei : Newsletter Nr. 275, Juni 2023

 1)   Kooperationsnetzwerk des Jugendrechts
 2)   Kansas City Experiment revisited: Wirken Polizeistreifen?
 3)   Deeskalative Kommunikation lernen: Polizei-Verhaltenstraining mittels künstlicher Intelligenz
 4)   Regionale Verteilung von Notrufen im Zusammenhang mit psychisch kranken Personen
 5)   Projekt „Körperverletzung im Amt“
 6)   Videoüberwachung weniger effektiv als andere Maßnahmen
 7)   „War on Cops“ – Studie zu den Entwicklungen in den USA
 8)   Polizeiausbilder arbeiten ziellos, ineffektiv und ohne Reflexion ihrer Arbeit
 9)   Polizei ist teuer – Kosten können aber reduziert werden
10)  Todesfälle nach Polizeikontakt – England und Wales
11)  Virtuelle Realität im Polizeitraining zur Vermeidung von Ethnic Profiling
12)  Aufklärungsraten bei Tötungsdelikten in den USA massiv rückläufig
13)  Polizei in der Schule – Projekt zeigt keine Wirkungen
14)  Kriminalpolizei und Informationsfluss in den Niederlanden
15)  Neues (problematisches) System der Messung von Kriminalität in den USA
16)  Lügen und Gedächtnis
17)  Psychologische Hilfe für Gang-Jugendliche in Boston
 
1) Kooperationsnetzwerk des Jugendrechts
Zur Verbesserung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität wurde ein „Augsburger Kooperationsnetz des Jugendrechts“ eingerichtet. Ziele des Kooperationsnetzes sind eine optimierte Vernetzung und eng abgestimmte Zusammenarbeit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Jugendstrafgericht und dem Amt für Kinder, Jugend und Familie (AKJF), welches die neue Struktur die Federführung innehat – eine in der Form von Experten immer wieder geforderte Lösung. https://www.csu-augsburg.de/detail/augsburger-kooperationsnetz-des-jugendrechts
 
 
2) Kansas City Experiment revisited: Wirken Polizeistreifen?
Das auch bei uns bekannte Kansas City Preventive Patrol Experiment (KCPPE) wurde von David Weisburd u.a. anhand der Originaldaten neu analysiert. Die Ergebnisse deuten auf bescheidene Auswirkungen von Polizeistreifen auf die Kriminalität in Polizeibezirken hin. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1003
 
 
3) Deeskalative Kommunikation lernen: Polizei-Verhaltenstraining mittels künstlicher Intelligenz
Mit dem vom BMBF geförderten Projekt „Konflikte und Krisen durch Kommunikation deeskalieren (K3VR)“ soll eine moderne und effektive Trainingsmöglichkeit für Einsatzkräfte der Polizei aufgebaut werden. Das Projekt wird im Forschungsverbund und assoziierten Partnern sowie der Polizei Berlin, der Bayerischen Polizei und dem Bayerischen Zentrum für besondere Einsatzlagen umgesetzt. https://www.akkon-hochschule.de/k3vr
 
 
4) Regionale Verteilung von Notrufen im Zusammenhang mit psychisch kranken Personen
Angeregt durch Studien über die Konzentration von Straftaten haben Wissenschaftler die räumlichen Muster von Notrufen im Zusammenhang mit psychisch kranken Personen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Notrufe von Menschen mit psychischen Erkrankungen auf einige wenige Orte konzentrieren und die Konzentrationen auch räumlich stabil ist, sogar während der COVID-19-Pandemie. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1004
 
 
5) Projekt „Körperverletzung im Amt“
In dem DFG-Projekt KviAPol ("Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen") wurde seit 2018 zu übermäßigen polizeilichen Gewaltanwendungen geforscht. Seit Mai steht der Abschlussbericht in Buchform mit dem Titel „Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung“ im Campus Verlag kostenlos zum Download zur Verfügung. Es geht um Situationen, Formen und Folgen übermäßiger polizeilicher Gewalt in Deutschland, aber auch um die Bewertungen polizeilicher Gewalt und Umgangsweisen von Betroffenen und Polizist*innen sowie um die strafjustizielle Aufarbeitung. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1005
 
 
6) Videoüberwachung weniger effektiv als andere Maßnahmen
Ergebnisse einer Studie zeigen, dass architektonische und landschaftliche Elemente von Häusern einen größeren Einfluss auf die Reduzierung von Wohnungseinbrüchen haben als Videoüberwachungssysteme. Beleuchtung hat dabei einen besonders hohen Einfluss. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1006
 
 
7) „War on Cops“ – Studie zu den Entwicklungen in den USA
Anhand der vom Gun Violence Archive (GVA) gesammelten Daten über Schusswaffenangriffe auf US-Polizeibeamte wird untersucht, ob und wie solche Angriffe durch den Mord an George Floyd beeinflusst wurden. Die Analyse zeigt, dass die Ermordung mit einem dreiwöchigen Anstieg der Angriffe mit Schusswaffen auf Polizisten verbunden war, danach aber die Angriffe wieder auf das Niveau aus der Zeit vor Floyd sanken. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1007
 
 
8) Polizeiausbilder arbeiten ziellos, ineffektiv und ohne Reflexion ihrer Arbeit
Die Ergebnisse einer Studie in Deutschland zeigen, dass Polizeiausbilder zwei Hauptstrategien anwenden, um ihre Lernenden auf die Ziele der Ausbildungssitzung vorzubereiten. Erstens konzentrieren sie sich darauf, die Lernerfahrung unterhaltsam zu gestalten, und zweitens weisen sie auf die Relevanz der zu erlernenden Fähigkeiten hin. Die Daten deuten jedoch darauf hin, dass die Ausbilder der Polizei im Allgemeinen nicht in der Lage sind, Ausbildungsziele festzulegen und ihre Ausbildung kohärent und effektiv auszurichten. Darüber hinaus gab es so gut wie keine weitergehende Reflexion über die Durchführung der Schulungseinheiten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1008
 
 
9) Polizei ist teuer – Kosten können aber reduziert werden
In New Jersey (NJ) gibt es mehr als 460 kommunale Polizeidienststellen, darunter fast 60 mit weniger als 11 Beamten. Insgesamt gibt der Staat rund 3 Milliarden Dollar pro Jahr für die Polizeiarbeit aus, das sind 20 % des typischen Gemeindehaushalts. In der jüngeren Vergangenheit haben sieben Gemeinden ihre örtlichen Polizeikräfte aufgelöst und die Dienste an einen Nachbarn vergeben. Die Ergebnisse einer Studie zeigen, dass diese Orte fast 300.000 Dollar pro Gemeinde einsparen, und dies ohne Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1009
 
 
10) Todesfälle nach Polizeikontakt – England und Wales
Zwischen 1990 und 2022 starben in England und Wales 1.849 Menschen in Polizeigewahrsam oder auf andere Weise nach einem Polizeikontakt. Eine Analyse zeigt, dass die polizeiliche Anwendung tödlicher Gewalt in die Prozesse, Einstellungen und Verhaltensweisen der Polizei als Institution eingebettet und mit ihr verwoben ist. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/13576275.2023.2190451
 
 
11) Virtuelle Realität im Polizeitraining zur Vermeidung von Ethnic Profiling
Gemeinsam mit der Universität Twente und einem Technologieunternehmen hat die niederländische Polizei ein interaktives Szenario-Training entwickelt. Anschließend findet ein Gruppendialog zur Reflexion der in VR getroffenen Entscheidungen statt. Bei dem Training sind die Teilnehmer ständig gezwungen, die Entscheidungen, die sie im Zusammenhang mit Polizeikontrollen getroffen haben, zu reflektieren und zu erklären. Dadurch soll Ethnic Profiling verhindern werden. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1010
 
 
12) Aufklärungsraten bei Tötungsdelikten in den USA massiv rückläufig
Die Aufklärungsraten bei Tötungsdelikten sind in den USA bei einem historischen Tief von 50% angelangt. In einigen Regionen sanken sie sogar unter 30%. Gründe dafür werden in einem kurzen Beitrag dargestellt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1011
 
 
13) Polizei in der Schule – Projekt zeigt keine Wirkungen
Praktiken, die Polizei in das schulische Umfeld einzubeziehen, um ein sicheres Schulklima zu schaffen, sind offensichtlich wirkungslos. So hat ein entsprechend aufwändig evaluiertes Projekt in den USA festgestellt, dass es keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf Delinquenz, Viktimisierung, Beziehungen zu Erwachsenen, Wahrnehmung der Polizei sowie schulische Bindung, Zusammengehörigkeit und Sicherheit gab. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1012
 
 
14) Kriminalpolizei und Informationsfluss in den Niederlanden
Wie sieht professionelle Polizeiarbeit im 21. Jahrhundert aus? In der dritten Folge der Serie über die Geschichte der niederländischen Polizei werden die zwanziger und dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als die Polizei mit einer Flut von Informationen konfrontiert wurde, behandelt. Dieser Film zeigt, wie die Polizei, um all diese neuen Informationsquellen nutzen zu können, neue Fähigkeiten erwerben und eine neue Leitlinie für die kriminalpolizeiliche Untersuchung finden musste: das Konzept des "modus operandi". https://www.youtube.com/watch?v=6RgVAeDdwRw
 
 
15) Neues (problematisches) System der Messung von Kriminalität in den USA
Das FBI hat im Oktober seinen ersten vollständigen Bericht über die Kriminalitätsentwicklung in den Vereinigten Staaten veröffentlicht, der ausschließlich auf seinem neuen Meldesystem für Vorfälle basiert. Dieses neue National Incident-Based Reporting System wird – so die Experteneinschätzung - ein fruchtbarer Boden für diejenigen sein, die aus politischen oder kommerziellen Gründen die Kriminalitätsentwicklung verzerren oder übertreiben wollen. Die Daten sind unvollständig und machen es unmöglich, ein genaues Bild vom Ausmaß oder den Auswirkungen der Kriminalität zu bekommen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1013
 
 
16) Lügen und Gedächtnis
Zwei Studien untersuchten die Überzeugungen über irreführendes Verhalten, Gedächtnisfunktionen und die Auswirkungen des Lügens auf das Gedächtnis. Die Teilnehmer glaubten, dass verschiedene Arten von Lügen unterschiedliche gedächtnisbeeinträchtigende Wirkungen hervorrufen. Die Teilnehmer hatten Schwierigkeiten beim Abrufen von Erinnerungen, nachdem sie Amnesie fälschlicherweise geleugnet oder vorgetäuscht hatten. Darüber hinaus glaubten die Teilnehmer, dass Lügen das Gedächtnis anderer Menschen beeinflussen würden, so dass die Menschen anfangen würden, an ihre eigenen Lügen zu glauben. Die Ergebnisse zeigen, dass falsche Verleugnungen im täglichen Leben ziemlich häufig verwendet werden. Die Autoren empfehlen, Gedächtnisexperten in die Bewertung der Zuverlässigkeit von Aussagen vor Gericht einzubeziehen, wenn es um Lügen ging. https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1068316X.2021.1929979
 
 
17) Psychologische Hilfe für Gang-Jugendliche in Boston
Gang-involvierte Jugendliche, die auf den Straßen von Boston aufwachsen, haben oft das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden und entwickeln psychologische Traumata. Dabei ist es besonders für sie schwierig, Unterstützung zu bekommen. Die meisten haben während ihrer Kindheit Krisensituationen durchlebt, darunter Wohnungsinstabilität, Drogen im Haushalt, Gewalt, Missbrauch, mangelnde Aufsicht und Ernährungsunsicherheit. Sobald ein Kind einem Trauma ausgesetzt ist, wird es anfälliger für zukünftige psychische Gesundheitsprobleme. Sie arbeiten oft mit einem hohen Maß an Hypervigilanz und Angst. Viele leben mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder erleben eine Psychose. Durch mutige Porträts hat ein Fotograf eine breite Palette von Menschen eingefangen und in ihren eigenen Worten dargestellt wie sie sich in die Enge getrieben fühlten und was sie dagegen taten. https://stories.uncornered.org/