Polizei : Newsletter Nr. 280, Dezember 2023

 1)   Gesichtserkennung an der US-amerikanischen Grenze
 2)   Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2022
 3)   Sentencing Guidelines in den USA aktualisiert
 4)   Polizeibeauftragte in Deutschland
 5)   „Mülleimer auf vier Rädern“? Der neue Polizeiroboter in New York
 6)   Suizid in der Polizei
 7)   Mehr Angriffe mit Schusswaffen bei Abschaffung der Lizenz zum verdeckten Tragen
 8)   Unvollständige FBI-Daten ergeben ein verzerrtes Bild der Kriminalität
 9)   Taser-Einsatz in NRW: Dienstanweisung öffentlich
10)  Taser und Bodycam-Einsatz in Wohnungen
11)  Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt
12)  Straftaten in den USA angestiegen oder zurückgegangen?
13)  Werthaltungen und wertbezogene Erwartungen der BKA-Mitarbeiter
14)  Todesfälle in Haft
15)  Kritische Polizeiforschung
16)  Einsames Sterben und unentdeckte Tode in der Stadt
17)  Was Polizeianwärter wollen und brauchen
18)  Die politischen Kosten staatlicher Sparprogramme
 
1) Gesichtserkennung an der US-amerikanischen Grenze
Der bekannte Datenmakler LexisNexis begann Ende 2022 mit dem Verkauf von Gesichtserkennungsdiensten und persönlichen Standortdaten an die US-Zollbehörde. Der 15,9-Millionen-Dollar-Vertrag umfasst eine breite Palette leistungsfähiger Instrumente zur Lokalisierung von Personen in den gesamten Vereinigten Staaten unter Verwendung einer Vielzahl personenbezogener Daten, von denen viele ohne richterliche Aufsicht beschafft und verwendet werden. https://theintercept.com/2023/11/16/lexisnexis-cbp-surveillance-border/
 
 
2) Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2022
Das Bundeslagebild wurde vom BKA im November 2023 veröffentlicht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1048
 
 
3) Sentencing Guidelines in den USA aktualisiert
1987 wurden erstmals sog. „Sentencing Guidelines“ in den USA eingeführt, anhand derer die Gerichte die Dauer der verhängten Freiheitsstrafen festlegen. Die einer Excel-Tabelle vergleichbare Liste hat 43 unterschiedliche Deliktkategorien und sechs Stufen für die Vorbelastungen. Die Dauer der entsprechend ablesbaren Freiheitsstrafen reicht von 0-6 Monaten für das leichteste und 360 Monate bis lebenslänglich für die schwersten Delikte. Diskutiert wurden die Guidelines in den 1990er Jahren, weil ein Bundesstaat die Tabelle je nach verfügbaren Gefängnisplätzen automatisch anpasste. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1050
 
 
4) Polizeibeauftragte in Deutschland
Sieben Bundesländer haben seit 2014 Gesetze zur Einrichtung von Polizeibeauftragten verabschiedet, die als Ombudsinstitutionen helfen sollen, das „partnerschaftliche Verhältnis“ zwischen Polizei und Bevölkerung zu stärken. Geplant ist die Schaffung von Polizeibeauftragten auch auf Bundesebene und in weiteren Ländern. Der Frage, welchen Beitrag die Stellen zum Menschenrechtsschutz in Deutschland leiste, geht eine Studie nach. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1051
 
 
5) „Mülleimer auf vier Rädern“? Der neue Polizeiroboter in New York
An der Times Square U-Bahn-Station wird der neue Streifenroboter des NYPD eingesetzt. Er ist etwa 1,70 m groß und soll ein wertvolles Werkzeug für die Strafverfolgung in New York City sein. Kritiker bezeichnen das Ganze als „Sicherheitstheater“. Sein offizieller Name ist K5, und der Hersteller beschreibt ihn als einen "völlig autonomen Sicherheitsroboter für den Außenbereich". Er wird derzeit in Krankenhäusern, Einkaufszentren, Flughäfen, Lagerhäusern und Kasinos eingesetzt und soll demnächst in der U-Bahn-Station Times Square, dem belebtesten unterirdischen Verkehrsknotenpunkt der Stadt, zum Einsatz kommen. Der mit vier Kameras ausgestattete Roboter wird Video-, aber keine Audioaufnahmen machen. Er wird (noch?) keine Gesichtserkennung einsetzen. Die Mietkosten belaufen sich auf etwa 9 Dollar pro Stunde. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1052
 
 
6) Suizid in der Polizei
Der Selbstmordversuch eines Top-Polizisten in Miami hat eine Diskussion über das das Stigma der psychischen Gesundheit in der Polizeiarbeit ausgelöst. Der Vorfall macht deutlich, wie hartnäckig das Stigma der psychischen Gesundheit bei den Strafverfolgungsbehörden ist. Berufliche Probleme, Ehestreitigkeiten und der Zugang zu einer Schusswaffe sind bekannte Risikofaktoren. Aber Selbstmordinterventionsprogramme sind von der Bereitschaft abhängig, zuzugeben, dass man in einer Krise steckt. Experten zufolge ist dies etwas, womit sich Polizeibeamte immer noch schwertun. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1053
 
 
7) Mehr Angriffe mit Schusswaffen bei Abschaffung der Lizenz zum verdeckten Tragen
Laut einer neuen Studie stiegen die Raten gewalttätiger Angriffe mit Schusswaffen in den USA um 32 Prozent, nachdem Staaten die Lizenz zum verdeckten Tragen von Waffen abschafften, die eine Ausbildung oder Befähigung für Schusswaffen vorschrieben. Als die Staaten es potenziell untrainierten Waffenbesitzern erleichterten, ihre Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen, nahmen die Angriffe mit Schusswaffen zu. Die Studie zeigt, dass man (in den USA) den erwarteten Anstieg der Angriffe mit Schusswaffen reduzieren kann, indem man Ausbildungsanforderungen einführt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1054
 
 
8) Unvollständige FBI-Daten ergeben ein verzerrtes Bild der Kriminalität
Berichte über Verbrechensentwicklungen, die auf FBI-Daten beruhen, werden häufig durch die unregelmäßige Berichterstattung lokaler Strafverfolgungsbehörden verzerrt, die dem FBI ihre jährlichen Verbrechensdaten nicht übermitteln - oder nicht übermitteln wollen. Dies geht aus einer Analyse hervor. Politiker lieben es, aus Daten der Kriminalstatistik zu zitieren und treffen Entscheidungen auf dieser Grundlage. Diese sind jedoch oftmals falsch und werden missbraucht. Wahlen werden auf der Grundlage von Stimmungen und nicht auf der Grundlage tatsächlicher Daten entschieden. https://stateline.org/2023/10/27/politicians-love-to-cite-crime-data-its-often-wrong/
 
 
9) Taser-Einsatz in NRW: Dienstanweisung öffentlich
FragDenStaat hat die Taser-Dienstanweisungen aus Nordrhein-Westfalen frei geklagt. Zusammen mit einer Bewertung sind sie hier verfügbar: https://fragdenstaat.de/blog/2023/10/24/elektroschocker-fur-die-polizei/
 
 
10) Taser und Bodycam-Einsatz in Wohnungen
Im Rahmen von zwei Anhörung in Berlin und Brandenburg im November 2023 hat sich Thomas Feltes mit der Frage beschäftigt, wie sicher der Taser ist und ob Bodycams auch in Wohnungen einegsetzt werden sollen. https://thomasfeltes.de/index.php/veroeffentlichungen
 
 
11) Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt
Die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) hat eine Analyse „Aufenthaltstitel für Betroffene häuslicher Gewalt – Umsetzungsempfehlungen zu Art. 59 Abs. 1-3 Istanbul-Konvention“ veröffentlicht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1055
 
 
12) Straftaten in den USA angestiegen oder zurückgegangen?
Im Oktober 2023 veröffentlichte das FBI die Daten des Uniform Crime Report (UCR) für das Jahr 2022, die einen Rückgang der Gewaltstraftaten zeigten. Der National Crime Victimization Survey (NCVS) des Justizministeriums meldete dagegen, dass die Zahl der Opfer von Gewaltverbrechen im Jahr 2022 insgesamt gestiegen ist. Es ist nicht das erste Mal, dass diese beiden Messinstrumente unterschiedlich ausschlagen. Details mit anschaulichen Grafiken und einer Analyse liefert ein Beitrag. https://counciloncj.org/did-violent-crime-go-up-or-down-last-year-yes-it-did/
 
 
13) Werthaltungen und wertbezogene Erwartungen der BKA-Mitarbeiter
Die vom BKA beauftragte Studie hat anhand 60 qualitativer Interviews sowie einer Online-Befragung mit über 1.800 Teilnehmenden das Werteverständnis der BKA-Mitarbeitenden und dessen Umsetzung im Arbeitsalltag untersucht. Demnach positionieren sich die BKA-Beschäftigten im Durchschnitt politisch mittig-links, befürworten in durchschnittlichem Maß autoritäre Ansichten und schätzen, dass rund 20 Prozent der Beschäftigten rassistische und/oder sexistische Ansichten haben. Weite Teile der Beschäftigten glauben nicht, dass die Personalentwicklung am BKA gerecht ist. Die Arbeitszufriedenheit der BKA-Beschäftigten ist im Schnitt niedriger als in der Durchschnittsbevölkerung, die Lebenszufriedenheit aber höher. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1056
 
 
14) Todesfälle in Haft
Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage haben 2021 insgesamt 91 Gefangene Suizid begangen, mehr als doppelt so viele wie 2019. Die Suizidrate (Suizide je 100.000 Gefangene) ist in diesem Zeitraum von 65 auf 160 gestiegen, während sie in der Gesamtbevölkerung gleichblieb. Dort beträgt die Suizidrate zwischen 7 und 16 (je nach Bundesland). Die am meisten betroffene Altersgruppe ist die der 24-40-jährigen und die meisten Suizide werden in der Untersuchungshaft begangen, vor allem in Bayern und NRW. Die Antwort enthält zahlreiche Tabellen und Auflistungen nach Haftarten und Bundesländern. Das umfangreiche Dokument ist hier verfügbar: https://dserver.bundestag.de/btd/20/081/2008116.pdf
 
 
15) Kritische Polizeiforschung
Der Band „Kritische Polizeiforschung, Reflexionen, Dilemmata und Erfahrungen aus der Praxis“, ist frei verfügbar unter http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1057
 
 
16) Einsames Sterben und unentdeckte Tode in der Stadt
Über ein verborgenes gesellschaftliches Problem berichtet eine sozialwissenschaftliche Analyse. Die Feldforschung gibt marginalisierten Menschen das Wort, die sonst nicht gehört werden. Das Buch steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1058
 
 
17) Was Polizeianwärter wollen und brauchen
In einer Studie wurden die Wünsche und subjektiven Ausbildungsbedürfnisse von Polizeianwärtern in Deutschland untersucht. Die Anwärter brachten zum Ausdruck, dass sie die Ausbildung als relevant für die Vorbereitung auf ihren Dienst und die anstehenden Leistungstests ansahen. Zu den wichtigsten motivierenden Aspekten gehörten die Wahrnehmung von Kompetenz und das Gefühl, ganzheitlich gefordert zu werden. Entkontextualisiertes Üben und statische Wiederholungen waren demotivierende Faktoren. Dem Ausbilder der Polizei wird eine herausragende Rolle beim Lernen zugeschrieben. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1059
 
 
18) Die politischen Kosten staatlicher Sparprogramme
Eine Studie hat über 200 Wahlen in mehreren europäischen Ländern ausgewertet und weist nach, dass finanzielle Konsolidierungen (Sparkurs) zu einem signifikanten Anstieg des Stimmenanteils der extremen Parteien, einer niedrigeren Wahlbeteiligung und einer Zunahme der politischen Fragmentierung führen. Sparmaßnahmen verursachen zudem durch einen Rückgang des BIP schwerwiegende ökonomische Kosten. Durch Austerität ausgelöste Rezessionen verstärken die politischen Kosten wirtschaftlicher Abschwünge erheblich und das Misstrauen gegenüber dem politischen Umfeld wird erhöht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1049