Polizei : Newsletter Nr. 291, Dezember 2024

 1)   Geflüchtete und Sicherheit in der Stadt
 2)   Studie zum Kontakt zwischen Polizei und Bürgern – leider (nur) in den USA
 3)   Exploring Green Crime
 4)   Haben True-Crime-Inhalte Auswirkungen auf die Strafjustiz?
 5)   Auswirkungen von Airbnb-Vermietungen auf die regionale Kriminalitätsentwicklung
 6)   Kontext- und gebietsabhängige Bereitschaft, Straftaten anzuzeigen
 7)   KI und Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch
 8)   Notrufe und Strafindizes
 9)   Anzeige von Straftaten und Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei
10)  ChatGPT kann detaillierte Ratschläge zur Begehung von Straftaten geben
11)  Häusliche Gewalt gegen männliche Opfer
12)  Datengenerierung in der Polizei zwischen Handwerk und wissenschaftlichem Anspruch
13)  Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Kriminalität
14)  Mehr als 1.000 Toten nach Einsatz von nicht-tödlichen Mitteln durch die Polizei in den USA
15)  Underreporting als Problem in der PKS
16)  Erfolg von „problemorientierter Polizeiarbeit“
 
1) Geflüchtete und Sicherheit in der Stadt
Unter dem Titel „Polizei, Politik, Polis“ stehen Ergebnisse eines DFG-Projektes bereit (open access), das sich mit dem Thema Flucht und Migration in Deutschland nach 2015 beschäftigt hat. Anhand von sechs deutschen Städten werden Deutungsmuster und Handlungsspielräume der Polizei im Umgang mit fluchtbedingter städtischer Vielfalt analysiert. Im Mittelpunkt stehen Praktiken im Zusammenhang mit der Aufnahme von Geflüchteten: die Rolle der örtlichen Polizei, stadtpolitische Strategien im Umgang mit Fluchtmigration und stadtgesellschaftlicher Akteure, Netzwerke und Diskurse. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1157
 
 
2) Studie zum Kontakt zwischen Polizei und Bürgern – leider (nur) in den USA
Eine regelmäßig in den USA durchgeführte Erhebung über Kontakte zwischen Polizei und Öffentlichkeit (Police-Public Contact Survey, PPCS) liefert detaillierte Informationen über die Art und die Merkmale von persönlichen Kontakten zwischen der Polizei und der Öffentlichkeit, einschließlich des Grundes und des Ergebnisses des Kontakts sowie der Zufriedenheit der Befragten mit dem Kontakt. Die Daten können verwendet werden, um die Wahrscheinlichkeit verschiedener Arten von Kontakten für Einwohner mit unterschiedlichen demografischen Merkmalen abzuschätzen, einschließlich Kontakten, bei denen die Polizei nicht-tödliche Gewalt anwendet. Die PPCS wird zur Erhebung von Daten aus einer landesweit repräsentativen Stichprobe von US-Bürgern ab 16 Jahren als Ergänzung zum National Crime Victimization Survey verwendet. Wäre schön, wenn wir so etwas auch in Deutschland hätten… http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1158
 
 
3) Exploring Green Crime
Eine Einführung in die rechtlichen, sozialen und kriminologischen Zusammenhänge von Umweltschäden ist in englischer Sprache (open access) verfügbar: http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1159
 
 
4) Haben True-Crime-Inhalte Auswirkungen auf die Strafjustiz?
True-Crime-Inhalte, die Elemente echter Kriminalfälle in Dokumentarfilmen, Podcasts und Büchern untersuchen, können zu einer Welle des öffentlichen Interesses und einer verstärkten Untersuchung führen können. Nach der Veröffentlichung des Netflix-Dokumentarfilms „The Menendez Brothers“ gab es eine Welle der Unterstützung für die Brüder, die lebenslange Haftstrafen ohne die Möglichkeit der Bewährung verbüßen. Nun könnte den Brüdern eine Neuverhandlung gewährt werden, was dem großen Medieninteresse geschuldet sein könnte. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1160
 
 
5) Auswirkungen von Airbnb-Vermietungen auf die regionale Kriminalitätsentwicklung
Die private Kurzzeitvermietung über Airbnb hat in den letzten zehn Jahren explosionsartig zugenommen, doch es ist wenig darüber bekannt, wie sich dies auf die Kriminalitätsrate in der Nachbarschaft auswirkt. In einer Studie wurden polizeilich gemeldeten Kriminalitätsformen in London unter Verwendung von Daten über Airbnb-Vermietungen in 4.835 Londoner Stadtteilen untersucht. Festgestellt wurde, dass Airbnb-Aktivitäten mit Raubüberfällen, Einbrüchen, Diebstahl und Gewalt verbunden sind. Die Zusammenhänge sind eher auf die Vermietung ganzer Immobilien als auf die Vermietung von Zimmern zurückzuführen. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass kurzfristige Vermietungen zur Kriminalität in der Nachbarschaft beitragen und dass diese Auswirkungen eher auf Veränderungen der kriminellen Möglichkeiten als auf eine Erosion der sozialen Kontrolle in der Nachbarschaft zurückzuführen sind. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1161
 
 
6) Kontext- und gebietsabhängige Bereitschaft, Straftaten anzuzeigen
Die Bereitschaft, eine Strafanzeige zu erstatten, ist das Nadelöhr für die polizeiliche Registrierung von Straftaten. In den USA ist die Zahl der Strafanzeigen in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. In dieser Studie werden die Daten des National Crime Victimization Survey (NCVS) aus 52 Großstadtregionen aus den Jahren 2000 bis 2015 verwendet, um zu untersuchen, wie sich die Wahrscheinlichkeit der Anzeige eines Verbrechens bei Opfern verschiedener ethnischer Gruppen je nach geografischem Kontext unterscheidet. Opfer von Minderheiten zeigen in Gebieten mit einem höheren Anteil an schwarzen oder zugewanderten Einwohnern eine geringere Wahrscheinlichkeit einer Strafanzeige als ihre weißen Mitbürger. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1162
 
 
7) KI und Bilder von sexuellem Kindesmissbrauch
Im Internet häufen sich Tools der künstlichen Intelligenz, die gefälschte Fotos erzeugen – auch von sexuellem Missbrauch von Kindern. Eine Organisation aus Großbritannien fordert schnell zu handeln, bevor eine Flut von durch künstliche Intelligenz erzeugten Bildern von sexuellem Kindesmissbrauch die Ermittler der Strafverfolgungsbehörden überwältigt und den Kreis der potenziellen Opfer enorm erweitert. In einem ersten Fall dieser Art in Südkorea wurde im September ein Mann zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er künstliche Intelligenz eingesetzt hatte, um virtuelle 360°-Bilder von Kindesmissbrauch zu erstellen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1163
 
 
8) Notrufe und Strafindizes
Die Reaktion auf Notrufe in einem zunehmend komplexen polizeilichen Umfeld erfordert immer differenziertere Mittel zur Bewertung und Messung der Anrufe. Die Entwicklung von Schadensindizes für Straftaten bietet ein solches Mittel, bei dem Straftaten nach ihrem geschätzten Schaden oder Schweregrad gewichtet werden. Analysen anhand von Schadensindizes haben gezeigt, dass sich Opfer, Täter, Orte und Zeiten mit hohem Schaden von den Personen und Orten unterscheiden, die bei einer ungewichteten Zählung der Straftaten als vorrangig für den Einsatz von Polizeikräften gelten würden. Der Beitrag stellt den Police Response Effort Index (PREI) vor, der Werte angibt für die Gewichtung von Kriminalitäts- und Nichtkriminalitätsnachfragetypen nach dem Aufwand (Zeit), der typischerweise für die erste Reaktion der Polizei erforderlich ist. Er ermöglicht es der Polizei, zu entscheiden, wann, wo und auf wen sich die polizeilichen Bemühungen konzentrieren sollten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1164
 
 
9) Anzeige von Straftaten und Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei
Eine groß angelegte Studie unter Opfern von Straftaten in den Niederlanden (N= 25.760) untersucht, wie die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei mit dem genutzten Meldeweg, dem Folgekontakt durch die Polizei und den von der Polizei ergriffenen Maßnahmen zusammenhängt. Die größten Auswirkungen haben der Kanal, über den die Straftat gemeldet wird, und die anschließende Reaktion der Polizei auf die Meldung. Die Opfer waren am zufriedensten, wenn sie persönlich mit der Polizei gesprochen hatten, die Polizei ihnen Bericht erstattete und weitere Maßnahmen ergriff. Die Studie zeigt, wie wichtig die Vorgehensweise der Polizei während und nach der Anzeige einer Straftat für die Zufriedenheit der Opfer mit der Polizei ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Polizei in der Lage sein könnte, die Zufriedenheit der Opfer durch relativ einfache Maßnahmen positiv zu beeinflussen. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1165
 
 
10) ChatGPT kann detaillierte Ratschläge zur Begehung von Straftaten geben
ChatGPT kann dazu genutzt werden, detaillierte Ratschläge zur Begehung von Straftaten zu erteilen, die von Geldwäsche bis hin zum Export von Waffen in sanktionierte Länder reichen. Ein Experiment wirft Fragen über die Sicherheitsvorkehrungen des Chatbots gegen seine Verwendung zur Unterstützung illegaler Aktivitäten auf. In einem Experiment gab der Chatbot z.B. Ratschläge, wie man grenzüberschreitend Geld waschen kann. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1166
 
 
11) Häusliche Gewalt gegen männliche Opfer
Diese Form von Gewalt findet in der Literatur wenig Beachtung, da Männer in der Regel eher die Täter als die Opfer von häuslicher Gewalt sind. In dieser Studie werden die Merkmale erwachsener männlicher Opfer und weiblicher Personen von Interesse (POI) untersucht, die verdächtigt und/oder angeklagt werden, in einer intimen Beziehung ein Gewaltdelikt begangen zu haben. Die Ergebnisse einer Text-Mining-Studie zu einer halben Million polizeilich begleiteter Gewalttaten zwischen 2005 und 2016 in New South Wales (Australien) zeigen, dass bei mehr als drei Vierteln mindestens eine Art der Misshandlung erfasst wurde. In 15,8 % der Fälle wurde bei den POI eine psychische Erkrankung erwähnt, bei den Opfern waren es 4,1 %. Bei den Opfern nahmen die Nennungen von Angststörungen zwischen 2005 und 2016 am stärksten zu (14,0 %), gefolgt von Depressionen (8,0 %). http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1167
 
 
12) Datengenerierung in der Polizei zwischen Handwerk und wissenschaftlichem Anspruch
Mit der polizeilichen Berichtspraxis beschäftigt sich ein Beitrag unter Bezugnahme auf die Schweizer Polizei. Dabei geht es auch um die Frage, ob Polizeiarbeit Handwerk oder Wissenschaft ist. Hintergrund ist die digitale Transformation von Polizeiarbeit und das Erstarken höherer analytischer Ansprüche an Daten. Dies verändert polizeiliche Wissens- und Handlungspraktiken. Die Analyse zeigt, wie die Beamten sich durch die neu gestellten Ansprüche an die Datengenerierung navigieren und wie die beobachteten Berichtspraktiken zu einer Neubewertung von Polizeiarbeit führen. https://www.research-collection.ethz.ch/handle/20.500.11850/705077
 
 
13) Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Kriminalität
In den USA schwankten die Verbrechensraten in den letzten Jahrzehnten stark, gleichzeitig haben sich die Einwohnerzahlen zum Teil deutlich verändert. Der Frage, ob die Kriminalität ein Grund dafür sein kann, dass viele Städte viel ihrer Bevölkerung verloren haben oder ob es einen umgekehrten Zusammenhang weniger Einwohner, niedrigere Kriminalität) gibt, geht eine noch unveröffentlichte Studie eines Wirtschaftswissenschaftlers nach. Er legt Daten vor, die zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Kriminalität und Bevölkerungsverlust möglicherweise direkter und stärker ist, als die meisten Experten bisher glaubten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1168
 
 
14) Mehr als 1.000 Toten nach Einsatz von nicht-tödlichen Mitteln durch die Polizei in den USA
Eine Zusammenstellung aller Fälle, Analysen und Forderungen, nachdem mehr als 1.000 Menschen z.B. nach dem Einsatz von Tasern starben, finden sich hier: https://apnews.com/projects/investigation-police-use-of-force/
 
 
15) Underreporting als Problem in der PKS
Die Frage, ob die Kriminalität zurückgeht (oder ansteigt) oder ob die Veränderungen in den Kriminalitätsstatistiken einfach nur ein verändertes Meldeverhalten widerspiegeln, ist eine entscheidende Herausforderung bei der Bewertung von Kriminalitätstrends. Underreporting kann die Kriminalitätsstatistiken auf lokaler und nationaler Ebene verändern. Ein Aufsatz beschäftigt sich mit dem Thema aus US-amerikanischer Sicht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1169
 
 
16) Erfolg von „problemorientierter Polizeiarbeit“
In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer systematischen Überprüfung und Meta-Analyse der problemorientierten Polizeiarbeit (POP) vorgestellt. Die Ergebnisse zeigen eine relative Verringerung der Straftaten/Störungen in den Behandlungsgruppen um insgesamt 33,8 % im Vergleich zu den Kontrollgruppen. POP ist demnach eine wirksame Strategie. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass POP größere Auswirkungen hat, wenn die Maßnahmen breiter angelegt sind und mehr Partnerbehörden/-gruppen einbeziehen, wenn mehr Mitarbeiter der Behörde an dem Programm beteiligt sind und wenn es auf Eigentumskriminalität und Ordnungsstörungen abzielt. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1170