Polizei : Newsletter Nr. 299, September 2025

 1)   Was ist „normal“?
 2)   Angriffe auf Polizeibeamten bei Einsätzen in Verbindung mit häuslicher Gewalt
 3)   Warum Selbstmorde das größte Sicherheitsproblem für Polizeibeamte in den USA sind
 4)   Stigmatisierung hindert Polizeibeamte daran, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen
 5)   Auswirkungen von organisatorischem Stress in der Polizei
 6)   Beamte die deeskalieren leben sicherer
 7)   Negative Kindheitserfahrungen bei Polizeibeamten mit Fehlverhalten
 8)   Schwarze Uniformen für Sondereinheiten. Vorteil oder Nachteil?
 9)   Sicherheitsgefühl in Deutschland ungleich verteilt und unabhängig von der Kriminalitätsbelastung
10)  Wie unterscheiden sich Notrufe über die Notrufnummer von sonstigen Anrufen bei der Polizei?
11)  Alkoholmissbrauch in der DDR
12)  Rechtszynismus und seine Auswirkungen auf die Polizei
13)  988 statt 911 in den USA: Ohio Hotline erhielt 600.000 Anrufe in drei Jahren
14)  Polizeiausbildung an externen Hochschulen – das Beispiel England und Wales
15)  Polizeiliche Therapiehunde an Hochschulen in den USA
16)  Eigeninitiative bei Polizeibeamten
 
1) Was ist „normal“?
Die Verwendung von „normalen“ und damit verbundenen Begriffen hat in den letzten Ausgaben des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) zugenommen. Trotz seiner weit verbreiteten Verwendung bleibt „normal“ ein mehrdeutiger und kontextabhängiger Begriff, der statistische Häufigkeit und soziokulturelle Erwartungen widerspiegelt. Der Beitrag setzt sich kritisch mit dem Begriff auseinander und fordert, dass die Psychiatrie entweder ihr Vertrauen auf das Konzept der Normalität innerhalb der Diagnosesysteme kritisch neu bewerten oder alternativ eine klare und konsistente Definition dessen bieten muss, was „normal“ in Bezug auf die Gesundheit bedeutet und was sie bedeuten soll. https://ogy.de/wrvb
 
 
2) Angriffe auf Polizeibeamten bei Einsätzen in Verbindung mit häuslicher Gewalt
Eine umfangreiche Studie aus Australien, bei der Polizeieinsätze in Verbindung mit häuslicher Gewalt über einen Zeitraum von 13 Jahren ausgewertet wurden, zeigt, dass situative Faktoren eine Rolle spielen, insbesondere, wenn der Notrufe durch Nachbarn einging oder die Situation noch aktiv ist. Aber auch die Merkmale der Täter können das Risiko von Angriffen auf Polizeibeamte erhöhen. Schulungsprogramme sollten Risikobewertungsprotokolle und Richtlinien auf diese Situationsdynamik konzentrieren. Die Betonung von Deeskalationstechniken und effektiven Kommunikationsstrategien kann die Sicherheit der Beamten erhöhen und die Reaktionen solche Vorfälle verbessern. https://ogy.de/4ex3
 
 
3) Warum Selbstmorde das größte Sicherheitsproblem für Polizeibeamte in den USA sind
Im Bereich der Polizeiarbeit wird den Gefahren, denen Polizeibeamte im Dienst ausgesetzt sind, viel Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei wird die größte Gefahr für die Beamten vernachlässigt. Jedes Jahr begehen (zumindest in den USA) mehr Polizisten Selbstmord als durch Verdächtige getötet werden. Mindestens 184 Beamte sterben dort jährlich durch Selbstmord, mehr als dreimal so viele, wie von Verdächtigen getötet werden. Nach der Analyse von Daten aus Sterbeurkunden kommt eine Studie der University Buffalo zu dem Schluss, dass Polizeibeamte eine um 54 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, durch Selbstmord zu sterben, als der durchschnittliche US-Arbeitnehmer. https://ogy.de/1mdl
 
 
4) Stigmatisierung hindert Polizeibeamte daran, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen
Polizeibeamte können im Laufe ihrer Karriere Hunderte von traumatischen Ereignissen erleben, doch viele zögern immer noch, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie diese benötigen. Eine aktuelle Studie aus den USA zeigt, dass Stigmatisierung nach wie vor ein großes Hindernis für die psychologische Betreuung von Beamten darstellt. 60 % der befragten Beamten gaben an, die meisten ihrer Kollegen würden einem Kollegen gegenüber keine psychischen Probleme offenlegen, und fast drei Viertel glaubten, dass Beamte dies auch einem Vorgesetzten gegenüber nicht tun würden. Etwas mehr als die Hälfte stimmte zu, dass die meisten Beamten mit Diskriminierung am Arbeitsplatz rechnen müssten, wenn sie offenlegen würden, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Polizeibeamte vermeiden es, psychische Probleme offenzulegen, weil dies im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Erwartungen steht, dass sie stark und emotionslos bleiben. https://ogy.de/os9k
 
 
5) Auswirkungen von organisatorischem Stress in der Polizei
Frühe psychologische Gesundheitsstudien in der Polizeiarbeit konzentrierten sich oft auf Traumata und kritische Vorfälle. Neuere Forschungen bilden ein überzeugendes Argument, dass erhebliche Ursachen für psychische Schäden auf andere operative und organisatorische Faktoren zurückzuführen sind. Die aktuelle Studie verwendet Umfragedaten aus einer großen Stichprobe der australischen Polizei. Die Beziehungen zwischen Stressoren (Trauma und kritische Vorfälle, operative und organisatorische) und psychischer Gesundheit (psychologischer Distress und Burnout) wurden untersucht. Für die Beziehung zwischen Stress und psychischem Stress im Vergleich zu Trauma-Stress war die Beziehung mit dem organisatorischen Stress dreimal so hoch und die Beziehung zum Betriebsstress war zweieinhalb Mal stärker. Es wurde kein direkter Zusammenhang zwischen Trauma-Stress und Burnout gefunden. Es wurde vollständig durch organisatorischen und operativen Stress erklärt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Vorgesetzte die direkten und kombinierten Auswirkungen verschiedener Stressfaktoren auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter berücksichtigen müssen. https://ogy.de/w46n
 
 
6) Beamte die deeskalieren leben sicherer
Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Deeskalationstechniken und der Sicherheit der Beamten. Es gibt eine positive Beziehung zwischen Deeskalation und Sicherheit des Beamten. Der Zusammenhang zwischen relationalen Deeskalationsstrategien (z.B. aktives Zuhören, Empathie) und Sicherheit des Polizeibeamten ist stark; jedoch weniger für taktische Deeskalationsstrategien (z.B. Vorplanung, Selbstkontrolle). Es ist jedoch unklar, ob relationale Strategien die Sicherheit der Beamten erhöhen oder ob eine größere Sicherheit der Beamten es ermöglicht, relationale Strategien zu verwenden. https://ogy.de/e846
 
 
7) Negative Kindheitserfahrungen bei Polizeibeamten mit Fehlverhalten
Die Studie untersucht den Zusammenhang zwischen negativen Kindheitserfahrungen und polizeilichem Fehlverhalten. Die Erfahrungen umfassen traumatische Ereignisse, die vor dem 18. Lebensjahr auftreten, wie körperlicher, emotionaler und sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und familiäre Dysfunktionen. Anhand von Selbstauskunfts-Umfragedaten von 484 Polizeibeamten mit und ohne Fehlverhaltensvorfällen konnte die Studie feststellen, dass Beamte mit Fehlverhalten in ihrer Akte signifikant höhere negative Kindheitserfahrungen aufwiesen. Bestimmte Erfahrungen im Zusammenhang mit körperlicher Misshandlung, emotionaler Vernachlässigung und unerwünschtem sexuellen Kontakt waren bei Beamten mit Fehlverhalten signifikant häufiger anzutreffen. https://ogy.de/4tot
 
 
8) Schwarze Uniformen für Sondereinheiten. Vorteil oder Nachteil?
Eine Studie aus Kanada geht der Frage nach, ob und wie sich die schwarzen Uniformen von polizeilichen Sondereinheiten auf deren Arbeit auswirken. Während generell der Einsatz solcher Sondereinheiten (im Gegensatz zur Streife) zur Unterstützung bei Einsätzen die Wahrscheinlichkeit der Anwendung tödlicher Gewalt durch die Polizei aufgrund ihrer besseren Ausbildung verringert, kann die Uniform unterschiedliche (auch negative) Wahrnehmungen bei den Bürgern auslösen. https://ogy.de/l2ya
 
 
9) Sicherheitsgefühl in Deutschland ungleich verteilt und unabhängig von der Kriminalitätsbelastung
Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinflusst individuelles Verhalten, Lebensqualität, Konsumverhalten und kann politische Einstellungen sowie staatliches Handeln prägen. Mithilfe von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und des Gleichwertigkeitsberichts der Bundesregierung 2024 werden in einem Bericht des DIW die Entwicklung sowie die regionale und gesellschaftliche Verteilung des Sicherheitsempfindens in Deutschland analysiert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Kriminalitätsfurcht nicht nur mit realer Kriminalität zusammenhängt, sondern unabhängig davon zunehmen kann. Regional ist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennbar. Sozial ungleich verteilt zeigt sich Kriminalitätsfurcht besonders bei vulnerablen Gruppen: Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich tendenziell unsicherer. https://ogy.de/gg6a
 
 
10) Wie unterscheiden sich Notrufe über die Notrufnummer von sonstigen Anrufen bei der Polizei?
Eine Studie aus den USA anhand von über 250.000 Anrufen bei der Polizei geht der Frage nach, wie sich die Inhalte der Notrufe unterscheiden, ob und wie sie Polizei darauf reagieren sollte und welche Konsequenzen daraus für den generellen Umgang mit Notrufen bei der Polizei gezogen werden sollten. https://ogy.de/b36g
 
 
11) Alkoholmissbrauch in der DDR
Eine Dissertation an der medizinischen Fakultät der Universität Rostock aus dem Jahr 2022 widmet sich dem Umgang mit der Alkoholproblematik in der DDR und spezifisch in Rostock. Der Fokus liegt auf der Darstellung von Versorgung, Erfassung, politischer Debatte und zuletzt auch auf dem betrieblichen Umgang. Die Arbeit stellt anschaulich das Zusammenspiel aus politisch-juristischen und medizinischen Bewältigungsstrategien der Alkoholproblematik in der DDR, speziell in Rostock dar. https://ogy.de/18ek
 
 
12) Rechtszynismus und seine Auswirkungen auf die Polizei
Untersuchungen zum Rechtszynismus – der Wahrnehmung, dass das Recht und die Strafverfolgungsbehörden illegitim, unzugänglich und schlecht ausgestattet sind – zeigen eine komplexe und stark nuancierte Beziehung zwischen der Wahrnehmung der Polizei durch die Bürger und ihrem Umgang mit den Polizeidiensten. Diese Studie sieht Rechtszynismus als einen Aspekt des kulturellen Repertoires der Einwohner in Bezug auf das Recht und das Rechtssystem (d. h. als „Werkzeugkasten”, auf den die Einwohner zurückgreifen, um ihr Verhalten zu steuern). Rechtszynismus führt zu einer Abneigung, in Zukunft die Polizei um Hilfe zu bitten. Die Studie plädiert dafür, dass Praktiker ihre Strategien zur Verfahrensgerechtigkeit ausweiten, um die Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung zu verbessern. https://ogy.de/q3tb
 
 
13) 988 statt 911 in den USA: Ohio Hotline erhielt 600.000 Anrufe in drei Jahren
Die 988 Suicide & Crisis Lifeline hat in den drei Jahren seit ihrem Start fast 600.000 Anrufe, SMS und Chats von Bürgern aus Ohio entgegengenommen. Der 988-Dienst wurde für Menschen eingerichtet, die sich in einer psychischen oder Suchtkrise befinden und die 988 anrufen, simsen oder chatten können, um Unterstützung zu erhalten. Seit dem Start 2022 gab es insgesamt fast 600.000 Anrufe, Chats und SMS von Bürgern aus Ohio. Die Betreiber hoffen, dass immer mehr Menschen mit dem Dienst vertraut werden und dass 988 im Falle einer verhaltensbedingten Gesundheitskrise so selbstverständlich wird wie der Notruf 911 bei anderen Notfällen. https://ogy.de/1oys
 
 
14) Polizeiausbildung an externen Hochschulen – das Beispiel England und Wales
Trotz einer langen Tradition der Polizei in England und Wales, mit Hochschulen im Rahmen der Ausbildung zusammenzuarbeiten, ist ein Polizeistudium ein relativ neues Konzept innerhalb der Hochschulen dort. Die meisten etablierten Berufe haben seit langem strukturierte Beziehungen zu den Hochschulen, die Polizei jedoch nicht. Stattdessen war die Polizeiausbildung vor 2019 weitgehend von externen Kontrollen abgeschirmt und wurde von Polizeibeamten innerhalb jeder Polizeibehörde „intern” entwickelt, verwaltet und durchgeführt. Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen in der Polizeiausbildung in England und Wales sowie eine Untersuchung der Zugangswege zur Polizeiarbeit und der Entwicklung dieser Bestimmungen zwischen 2019 und 2024. Anschließend werden in diesem Artikel die wichtigsten Herausforderungen in diesem Bereich, die Vorteile einer fortgesetzten Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Hochschulen sowie die Frage untersucht, wer am besten geeignet ist, diese Polizeiausbildung durchzuführen. https://ogy.de/nuy2
 
 
15) Polizeiliche Therapiehunde an Hochschulen in den USA
Diese Studie untersuchte die Auswirkungen von zwei Therapiehunden, die jeweils von Polizeibeamten eines Campus im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten geführt wurden. Das ausdrückliche Ziel des Therapiehundeprogramms ist es, eine Brücke zwischen den Studierenden und den Polizeibeamten zu schlagen. Die Studie untersucht, warum Studierende gerne mit den Therapiehunden interagieren, wo sie sie am liebsten besuchen und welchen Nutzen sie darin sehen. Auch die Frage, ob die Tatsache, dass der Hundeführer ein Polizeibeamter ist, einen Einfluss auf die Interaktion der Studierenden und der Campusgemeinschaft mit den Therapiehunden hat, wird beantwortet. https://ogy.de/0g91
 
 
16) Eigeninitiative bei Polizeibeamten
In den letzten Jahren ist die Proaktivität zu einem wesentlichen Bestandteil der evidenzbasierten Polizeiarbeit geworden. Die Forschung zeigt jedoch, dass die alltägliche Praxis der Proaktivität begrenzt, inkonsistent und variabel ist. Die Studie untersucht individuelle und organisatorische Faktoren, die für diese Variabilität verantwortlich sein könnten. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig das organisatorische und strukturelle Umfeld ist. Beamte, die angeben, dass von ihnen mehr Eigeninitiative erwartet wird, dass sie eine stärkere Belohnungsstruktur für Eigeninitiative vorfinden und dass sie sich besser darauf vorbereitet fühlen, mit einer Vielzahl von Situationen umzugehen, geben ein signifikant höheres Maß an Eigeninitiative an. https://ogy.de/vlfc