Nr. 61, Februar 2004
 
11) Der soziobiographische Hintergrund rechtsextremistischer Gewalttäter
Der soziobiographische Hintergrund von 61 rechtsextremistischen Gewalttätern wurde durch persönliche Explorationen im Rahmen von psychiatrischen Begutachtungen untersucht. Es zeigten sich in hohem Maße negative soziobiographische Konstellationen. Die überwiegende Mehrzahl der rechtsextremistischen Gewalttäter kommt aus zerstörten familiären Verhältnissen (69 %), in denen Gewalt als Konfliktlösungsmethode die Regel ist. Die schulische Sozialisation und Schulausbildung ist höchst problematisch: 79 % haben eine niedrige bzw. sehr niedrige Schulbildung, und nur bei einem Drittel der rechtsextremistischen Gewalttäter fanden sich keine interaktionalen Probleme in der Schule. Nur bei 11 % fanden sich keine Störungen des Sozialverhaltens im Sinne der Weltgesundheitsorganisation in der Kindheit und Adoleszenz. Entsprechend niedrig ist die Berufsausbildung und berufliche Tätigkeit, wobei 79 % der sich nicht in Ausbildung befindenden Untersuchten zum Tatzeitpunkt arbeitslos waren. Zwei Drittel der untersuchten rechtsextremistischen Gewalttäter waren schon vorbestraft, in der Regel wegen einer polymorphen Kriminalität, in erster Linie wegen Eigentumsdelikten. Straffällig waren sie in der Regel mehrfach und im sehr jungen Alter geworden (im Durchschnitt mit 17 Jahren). Bei 89 % der untersuchten rechtsextremistischen Gewalttäter fand sich keine gnosiologisch fundierte Ideologie, sondern eine in der Regel floskelhaft bis skurril anmutende Einstellung. Rechtsextremistische Gewaltkriminalität wird als gemeine Kriminalität betrachtet, die mit zirkulären Prozessen von gestörter Familie, problematischer korrespondierender sozialer Umgebung, Störungen des Sozialverhaltens mit entsprechenden Persönlichkeitsdefiziten, fehlender perspektivischer Lebensplanung sowie geringem Angebot oder geringer Wahrnehmung vorhandener Angebote an bildungsfördernden Möglichkeiten korreliert. Quelle: Marneros, Andreas/Steil, Bettina/Galvao, Anja, Der soziobiographische Hintergrund rechtsextremistischer Gewalttäter. In: Monatsschrift für Kriminologie 5, 86, 2003, S. 364-372 (abstract von der website der Monatsschrift)