Nr. 67, September 2004
 
9) “Furcht” muss nicht Verbrechensfurcht sein
Die Forschung über Kriminalitätsfurcht war bislang vor allem quantitativ-statistisch angelegt und an Konzepten wie “Furcht”, “Verbrechen” und “Störung der Ordnung” aufgezogen. Alternative Konzepte wie “Sicherheit” bezogen auf urbane Problemgebiete wurden wenig untersucht. Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, Reaktionsweisen auf Verbrechen und die im Hintergrund dieser Reaktionen ablaufenden Prozesse zu untersuchen. Dafür wurden auf Basis des Ansatzes datengenerierter Theorie (“grounded theory”) Tiefeninterviews und Feldbeobachtungen mit einer Gruppe von 69 unter schwierigen sozialen Bedingungen  lebenden Sozialhilfeempfängern in Chicago durchgeführt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass “Furcht” in gewaltträchtigen Nachbarschaften nicht die vorherrschende Art der Reaktion auf lokale Kriminalität und Unordnung darstellt bzw. von ihr hervorgerufen wird. Andere “Zeichen” als solche, die sich auf Verbrechen und Störung der Ordnung beziehen, lösen vielmehr dort die Furcht aus. Quelle: Irene Carvalho and Dan A. Lewis: "Beyond Community:  Reactions to Crime and Disorder among Inner-City Residents," In: Criminology, Vol. 41 (3), August 2003, pp. 779-812.