Nr. 88, Juli 2006
13) Jugendgewalt und Anzeigeverhalten - Gegensätzliche Resultate aus zwei Studien
Bei den polizeilichen Tatverdächtigenziffern von Kindern und Jugendlichen ist seit Jahren ein starker Anstieg insbes. bei Gewaltdelikten zu verzeichnen. Bei dieser Entwicklung der Hellfelddaten ist zu fragen, ob die PKS einen tatsächlichen Anstieg der Jugendgewalt abbildet oder lediglich ein erhöhtes Anzeige- und Registrierungsverhalten bei im wesentlichen gleich bleibender Jugendgewalt im Dunkelfeld. Eine aktuelle schweizerische Studie von Gabaglio, Gilliéron und Killias geht dieser Frage nach. Die Autoren kommen nach Auswertung von nationalen schweizerischen Opferbefragungen aus den Jahren 1987 und 1998/2000 zum Resultat, dass die Anzeigebereitschaft gegenüber Jugendlichen in den letzten 20 Jahren nicht zu-, sondern sogar deutlich abgenommen hat. Das wird u.a. dadurch erklärt, dass sich die Gewalttaten der jungen Täter stärker als früher gegen jugendliche Opfer richten, bei denen nur eine geringe und im Verlauf der Jahre sogar noch abnehmende Anzeigebereitschaft besteht. Diesem Aufsatz zufolge wird die Zunahme der Jugendkriminalität in den offiziellen Statistiken also unterschätzt und nicht überschätzt. Dieses Resultat steht im Gegensatz zu den Ergebnissen einer Studie von Oberwittler und Köllisch aus dem südbadischen Emmendingen. Im Vergleich der Daten von Dunkelfeldbefragungen (mit kleinen Stichproben) aus den Jahren 1973 und 1999 zeigte sich bei den Jugendlichen, die eine Gewalttat zugegeben hatten, eine deutliche Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Polizeikontakten. Gleichzeitig ergab sich bei den Opfern ein Anstieg der Anzeigerate der erlittenen Delikte. Die Autoren führen diese Entwicklungen u.a. darauf zurück, dass die informellen Konfliktregelungskompetenzen in den letzten Jahren abgenommen haben. Aus dieser Studie ist also zu folgern, dass der Anstieg der registrierten Gewaltdelinquenz bei Jugendlichen vor allem auf die Aufhellung eines weitgehend stabilen Dunkelfeldes zurückzuführen ist. Diese gegensätzlichen Resultate verdeutlichen die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Bereich, insbes. von regelmäßigen nationalen Dunkelfeldstudien auch in Deutschland. Nachweise für die Studien: Gabaglio/Gilliéron/Killias in: Crimiscope Nr. 30, 2005; im Internet abzurufen unter http://www.unil.ch/webdav/site/esc/shared/Crimiscope/crimiscope030_2005_D.pdf.Oberwittler/Köllisch in: Neue Kriminalpolitik Heft 4/2004, S. 144-147.
13) Jugendgewalt und Anzeigeverhalten - Gegensätzliche Resultate aus zwei Studien
Bei den polizeilichen Tatverdächtigenziffern von Kindern und Jugendlichen ist seit Jahren ein starker Anstieg insbes. bei Gewaltdelikten zu verzeichnen. Bei dieser Entwicklung der Hellfelddaten ist zu fragen, ob die PKS einen tatsächlichen Anstieg der Jugendgewalt abbildet oder lediglich ein erhöhtes Anzeige- und Registrierungsverhalten bei im wesentlichen gleich bleibender Jugendgewalt im Dunkelfeld. Eine aktuelle schweizerische Studie von Gabaglio, Gilliéron und Killias geht dieser Frage nach. Die Autoren kommen nach Auswertung von nationalen schweizerischen Opferbefragungen aus den Jahren 1987 und 1998/2000 zum Resultat, dass die Anzeigebereitschaft gegenüber Jugendlichen in den letzten 20 Jahren nicht zu-, sondern sogar deutlich abgenommen hat. Das wird u.a. dadurch erklärt, dass sich die Gewalttaten der jungen Täter stärker als früher gegen jugendliche Opfer richten, bei denen nur eine geringe und im Verlauf der Jahre sogar noch abnehmende Anzeigebereitschaft besteht. Diesem Aufsatz zufolge wird die Zunahme der Jugendkriminalität in den offiziellen Statistiken also unterschätzt und nicht überschätzt. Dieses Resultat steht im Gegensatz zu den Ergebnissen einer Studie von Oberwittler und Köllisch aus dem südbadischen Emmendingen. Im Vergleich der Daten von Dunkelfeldbefragungen (mit kleinen Stichproben) aus den Jahren 1973 und 1999 zeigte sich bei den Jugendlichen, die eine Gewalttat zugegeben hatten, eine deutliche Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Polizeikontakten. Gleichzeitig ergab sich bei den Opfern ein Anstieg der Anzeigerate der erlittenen Delikte. Die Autoren führen diese Entwicklungen u.a. darauf zurück, dass die informellen Konfliktregelungskompetenzen in den letzten Jahren abgenommen haben. Aus dieser Studie ist also zu folgern, dass der Anstieg der registrierten Gewaltdelinquenz bei Jugendlichen vor allem auf die Aufhellung eines weitgehend stabilen Dunkelfeldes zurückzuführen ist. Diese gegensätzlichen Resultate verdeutlichen die Notwendigkeit weiterer Forschung in diesem Bereich, insbes. von regelmäßigen nationalen Dunkelfeldstudien auch in Deutschland. Nachweise für die Studien: Gabaglio/Gilliéron/Killias in: Crimiscope Nr. 30, 2005; im Internet abzurufen unter http://www.unil.ch/webdav/site/esc/shared/Crimiscope/crimiscope030_2005_D.pdf.Oberwittler/Köllisch in: Neue Kriminalpolitik Heft 4/2004, S. 144-147.